„Wisst ihr, ich komme aus dem ‚Geniewinkel‘ in Meßkirch“, sagte Pater Andreas gerne, wenn Menschen ihn nach seiner Heimat fragten. Dann zählte er eine Reihe bedeutender Theologen und Philosophen auf und überließ es mit einem Lächeln den Zuhörenden, den Namen des Sprechenden hinzuzufügen.
Am 25. Mai 1931 wurde Johann Wilhelm Müller seinen Eltern Josephine und Johannes Müller in Boll geboren. „Es war ein strahlender Sonnentag, an dem am Nachmittag ein heftiges Gewitter niederging“, erzählte er oft und bezog es gerne auf sich: Ein Querdenker, einer, der eine klare Position bezog und dadurch auch oft wie ein Donner grollte, Traditionelles hinterfragte – um des Evangeliums und der Armen willen – das war Pater Andreas‘ Selbstverständnis.
Andreas wuchs auf dem elterlichen Hof auf. Es war eine frühkindliche Schule, sich mit Entbehrungen zu arrangieren, mit der Natur in Einklang zu leben und die Solidarität einer Dorfgemeinschaft zu erfahren. Es waren prägende Kriegs- und Nachkriegszeiten. Bis zuletzt war er seiner Heimat verbunden, besuchte Familienfeiern und half bis Weihnachten 2018 noch zu Hochfesten seelsorglich in der dortigen Pfarrei mit.
Sein Abitur machte Pater Andreas 1953 am Kreisgymnasium in Riedlingen. Im April 1953 trat er in Salmünster ins Postulat ein, wo er ein Jahr später das Noviziat begann. Schon dort sei er für seine Ausbilder bisweilen eine Herausforderung gewesen. Während seiner Studienzeit setzte sich seine kritische Haltung fort. Pater Andreas legte am 21. April 1957 in Fulda die Feierliche Profess ab. Am 13. April 1958 empfing er in Fulda durch Bischof Dr. Johannes Dietz die Diakonenweihe, am 5. April 1959 durch Weihbischof Adolf Bolte die Priesterweihe. Nach einem Jahr in der Seelsorge in Fulda begann im August 1961 seine Arbeit als Missionsprokurator in Bornhofen und ab August 1964 in gleicher Aufgabe in Fulda. Hier nun fand er seine eigentliche Berufung. Durch den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils fühlte er sich herausgefordert. Er griff die Gedanken einer Erneuerung der Kirche auf, verstand das Bild der Pilgernden Kirche ganz wörtlich und suchte Wege, das Evangelium allen Menschen zu bringen – vor allem den Armen. Es wurde sein Anliegen Mission neu zu verstehen. „Es kann keine Rede mehr von ‚Franziskanermission‘ sein“, schrieb er zum 50. Bestehen der „Missionszentrale der Franziskaner“ (MZF): „Es gibt nur eine Beteiligung der Franziskaner an der weltweiten Mission.“ So war die Idee einer zentralen Koordinierungsstelle der deutschsprachigen Franziskaner geboren, die mit der Gründung der MZF in Bonn am 5. Dezember 1969 begann und deren Geschäftsführer er bis 2002 war. In dieser Zeit entwickelte sich die MZF zu einer missiona-risch-politischen Größe. Viele nachhaltige Initiativen gingen von ihm aus: die Bildungs- und Lobbyarbeit, die finanzielle Unterstützung der Kirchen weltweit, der unermüdliche Einsatz für die Befreiungstheologie, sein Kampf für die Rechte der Laien in der Kirche, Unterstützung, aber auch Ablehnung kirchlicher Entwicklungen, Reisen fast in die ganze Welt und nicht zuletzt die Entwicklung des „Grundkurses zum franziskanisch-missionarischen Charisma“ (CCFMC), dessen weiterhin umtriebiger Geschäftsführer er blieb, nachdem er in den Ruhestand gegangen und nach Großkrotzenburg umgezogen war.
Im vergangenen Jahr durfte P. Andreas drei für ihn wichtige Jubiläen feiern: 100 Jahre Bund Neudeutschland, dem er als langjähriges Mitglied sehr nahestand, 60 Jahre Dienst als Priester und 50 Jahre Bestehen der Missionszentrale in Bonn. Ein Höhepunkt war für ihn in diesem Zusammenhang die Begegnung mit Papst Franziskus, dem Papst, dem er stets uneingeschränkte Solidität bekundete. „Wir haben uns einander Mut gemacht“, antwortete P. Andreas, als wir ihn fragten, worüber er sich mit dem Papst unterhalten habe.
Seit dem Sommer 2018 spürte P. Andreas, dass seine Sehkraft nachlässt. Im Sommer 2019 war er fast blind. Nach vielen Versuchen, der Blindheit doch noch zu entgehen, und einem Sturz Ende Dezember 2019 war ein Umzug in das Theresienheim in Fulda unumgänglich. P. Andreas aber wollte jetzt seine letzte Reise antreten. Am 3. Februar sah er nun – so glauben wir – wieder neu das göttliche Licht.
Allen, die P. Andreas in seinen letzten Wochen beigestanden haben, sagen wir ein herzliches Vergelt’s Gott.
Geht hinaus in alle Welt
und verkündet allen Geschöpfen das Evangelium.
Mk 16,15
Aus der Liturgie des Sterbetages
Der Auferstehungsgottesdienst findet am Freitag, dem 7. Februar 2020, um 14:00 Uhr in der Klosterkirche auf dem Frauenberg in Fulda statt. Anschließend ist die Beisetzung auf dem Klosterfriedhof.