06.06.2019

Pilgern – Beten mit den Füßen

Die Zeitschrift der Franziskaner - Sommer 2019

Titel der Zeitschrift Franziskaner, Sommer 2019

Pilgern boomt. Manche Routen im weit verzweigten Netz europäischer Jakobswege sind längst überlaufen. Alte Pilgerstraßen faszinieren, weil sie die Zeitgenossen am Beginn des 3. Jahrtausends eintauchen lassen in einen Zug unruhiger Wanderer durch die Jahrhunderte, mit denen sie ihre Sehnsüchte ebenso teilen wie Blasen an den Füßen. Gleichzeitig entstehen immer neue lokale Pilgerwege.

„Des Pilgers Wiederkehr“ (so der Titel eines bereits 1954 erschienenen Buches von Walter Nigg) hat viele Gründe. Aufbrechen, ein Ziel haben, Schritt für Schritt unterwegs sein – das sind menschliche Urerfahrungen. Der Pilger ist eine archetypische Figur. „Pilger sind wir Menschen“, heißt es in einem modernen geistlichen Lied von Diethard Zils. Dabei werden Outdoor-Erfahrungen zum Bild einer inneren Reise und üben diese ein. Der Weg zu Fuß bringt auch die Seele in Bewegung. Pilger legen oft hunderte von Kilometern zurück, aber das braucht Zeit. Langsamkeit tut gut in einer Zeit ständiger Beschleunigung. Der Kontakt mit der Natur und die Erfahrung des Körpers erden und bewahren vor dem Abtauchen in virtuelle Kunstwelten. Die Reduzierung des Alltags auf wesentliche Grundvollzüge ist heilsam, wo das Leben immer komplexer und unübersichtlicher wird. Wenn sich alles verhakt und erstarrt, hilft oft ein Reset, nicht nur beim Computer: „Ich bin dann mal weg!“ (Hape Kerkeling).

Wandern kann jede und jeder. Pilgern ist ein spiritueller Vollzug. Beim Beten mit den Füßen wird der Glaube vom Kopf auf die Füße gestellt, bekommt eine leibhafte Dimension, wird irgendwie einfacher und persönlich.

Pilger haben ein Ziel. Aber sie sind noch nicht am Ziel. Unterwegs sein ist anstrengend, aber auch verheißungsvoll. Als Kirche sind wir pilgerndes Gottesvolk, das neue Jerusalem kommt erst später. Die französische Religionssoziologin Danièle Hervieu-Léger sieht „Pilger und Konvertiten“ als Vertreter einer „Religion in Bewegung“.

Der Pilger (lateinisch peregrinus) ist immer auch ein Fremder (italienisch pellegrino). Heute sind viele Menschen unfreiwillig in der Fremde unterwegs. Was geschieht eigentlich, wenn sich Flüchtlingsrouten mit Pilgerwegen kreuzen? Und ich selbst? Bin ich auf der Flucht? Ein Flaneur? Oder ein Pilger?

Weitere Themen

  • Aufbruch – Franziskaner beschließen Leitlinien und Schwerpunkthäuser
  • Erneuerung der Kirche – Die Quadratur des Kreises. Interview mit Bischof Bode
  • Geistlicher Wegbegleiter
  • 30 Jahre Franciscans International
  • Stoppt den Waffenhandel – Der Tod ist ein Meister aus Deutschland

 

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