Von Bruder Helmut Schlegel ofm und Ricarda Moufang (Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität, Frankfurt)

Raum

Schöpfung: Wer staunt, fängt an zu glauben …

Wir laden Sie zu vier Schritten ein: staunen – hören – glauben – tun.

Spüren Sie, was Ihnen an Ihren eigenen Räumen gut tut? Bild von Rainer Sturm / pixelio.de
Spüren Sie, was Ihnen an ihren eigenen Räumen gut tut? Bild von Rainer Sturm / pixelio.de

staunen

Noch mehr als die Zeit ist der Raum für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir bewegen uns immer in einem Raum, auch wenn wir draußen unterwegs sind. Unsere Körper sind dreidimensional und dehnen sich aus im Raum: Höhe, Breite und Tiefe. Ohne Raum kann nichts sein. Enthält ein Haus keine Räume, kann ich dort nichts hineinstellen oder selbst dort herumgehen. Gäbe es den „Welt-Raum“ nicht, so könnten die Galaxien, Sonnensysteme, Planeten und schließlich unsere Erde gar nicht existieren.

Räume beeinflussen uns stark. Das Raumgefühl in einer romanischen Kirche ist ein ganz anders als in einer gotischen, einer barocken oder in einer modernen Kirche. Räume fordern visuell veranlagte Menschen geradezu heraus, zu gestalten und die verschiedenen Wirkungen der Gestaltung auszuprobieren.
Raum ist pures Potenzial. So vieles ist möglich in einem Raum – an Bewegung, Gestaltung, an Nutzung aller Art. Ein leeres Zimmer scheint nur darauf zu warten, dass wir etwas damit anstellen.

Wir sind nicht nur Betrachter, sondern auch Ohr-Menschen. Wenn wir bestimmte Musik hören, dann entstehen in uns Räume. Auch unsere Stimme benötigt ja einen Resonanzraum in unserer Brust. Vielleicht enthält auch die menschliche Seele Resonanzräume. Und in einem dieser Räume – wohnt Gott.

hören

Mach den Raum deines Zeltes weit, spann deine Zelttücher aus, ohne zu sparen. Mach die Stricke lang und die Pflöcke fest! Denn nach rechts und links breitest du dich aus. Deine Nachkommen werden Völker beerben und verödete Städte besiedeln. (Jesaja 54,2f.)

glauben

Ich sage:
Lass mich eintreten
In den heiligen Raum
wo Lärm und Alltag
ausgeschlossen bleiben
wo Stille ist und Schweigen
wo nur du wohnst
und wo ich finde
den meine Seele sucht

Ich höre:
Ich selbst bin der heilige Raum
In mir hat er Wohnung genommen
In meinem Leib
dem rastlos bewegten
In meiner Seele
der verwundeten
In meinem Herzen
dem ruhelos suchenden
Mich hat er gewählt
als sein Haus
und er wird es nie mehr
verlassen

tun

Machen Sie einen Gang durch „Ihre“ Räume: Wohnung und Haus, Garten und Grundbesitz, Büro und Werkstatt. Schauen Sie, was Ihnen bei näherem Hinsehen auffällt. Spüren Sie, was Ihnen an diesen Räumen guttut und was nicht.

Auch Räume können uns festlegen und in einen Gewohnheitstrott versetzen. Deswegen bedarf es immer wieder des »Tapetenwechsels«: ein neuer Anstrich, Umstellen der Möbel, Neuorganisieren der Kücheneinrichtung. Oft sind solche Umgestaltungen gar nicht aufwendig und teuer und bedürfen nur einiger kreativer Einfälle. Aber sie bewirken viel.

Schaffen und gestalten Sie sich einen »Raum der Stille«. Vielleicht ist im Haus eine ruhige Ecke, wohin Sie sich zurückziehen können. Vielleicht ist es auch im Garten. Oder ein bestimmter Platz in Ihrer Kirche.

 

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Winter 2014