Bruder Johannes Schlageter

Die Franziskaner in der Reformation

Kirchenerneuerung im Geiste von Franziskus oder ketzerische Abspaltung?

Die Ordensgemeinschaft der Franziskaner entstand in einer Zeit, in der die Kirche unter anderem wegen ihrer Macht und ihres Reichtums stark in der Kritik stand. Nicht nur für Franziskus und seine Brüder, auch für viele andere kirchliche Erneuerungsbewegungen des 12. Jahrhunderts standen eine radikale Christus-Nachfolge und die Armutsfrage im Mittelpunkt ihres Ringens.

Als dreihundert Jahre später erneut eine starke Reformbewegung entstand, forderte diese auch die Brüder heraus.

Das Verhältnis der Franziskaner des 16. Jahrhunderts zur Reformation

Bild: Pro-Protestantische Propaganda: Während der Papst als Teufel sich Christus einverleibt richtet sich dieser Luther und seiner Deutung der Schrift zu. Christus am Kreuz von Lucas Cranach, ca. 1553. Mitteltafel des Altars der Peter- und Paulkirche in Weimar, public domain
Bild: Pro-Protestantische Propaganda: Während der Papst als Teufel sich Christus einverleibt richtet sich dieser Luther und seiner Deutung der Schrift zu. Christus am Kreuz von Lucas Cranach, ca. 1553. Mitteltafel des Altars der Peter- und Paulkirche in Weimar, public domain

Die Begegnung von Franziskanern mit der Reformation war sowohl von Faszination als auch von Abwehr bestimmt. Einige der Brüder fanden ihr ureigenes Anliegen neu und besser als bisher verstanden. Sie sahen die ersehnte Erneuerung christlichen Lebens und christlicher Gemeinschaft in der reformatorischen Theologie und Predigt verwirklicht (zum Beispiel Friedrich Myconius, Johannes Eberlin von Günzburg und Franz Lambert von Avignon).

Andere jedoch stellten sich eine Erneuerung christlichen Lebens und christlicher Gemeinschaft ganz im Einklang mit der traditionellen Theologie und mit den bisherigen Formen der Kirche und des franziskanischen Ordens vor. Solche Franziskaner bekämpften die reformatorische Bewegung als ketzerische Spaltung der kirchlichen Einheit mit aller Kraft (zum Beispiel Augustin von Alveldt, Jakob Schwederich, Kaspar Schatzgeyer).

Aber weder Befürworter noch Gegner der Reformation bestimmten in der Regel, wie sich die Geschichte der franziskanischen Konvente in ihrem unmittelbaren Umfeld gestaltete. Es war die politische Situation einer Stadt oder einer Herrschaft, die entweder die reformatorischen Bestrebungen zum Zuge brachte oder ihnen den entscheidenden Durchbruch versagte. Da es nun eher um die Macht als um die Wahrheit ging, passten sich die meisten Franziskaner, ganz gleich auf welcher Seite sie stritten, den gegebenen Verhältnissen an.

Ihrer Gewissensentscheidung blieben dennoch viele treu. Das zeigt sich nicht nur bei jenen, die vor Kerker und Repression in reformatorische Gemeinden flüchten mussten. Besonders eindrucksvoll sind jene Konvente von Schwestern und Brüdern, die, wie etwa Charitas Pirckheimer und ihre Schwestern im Nürnberger Klarissenkloster oder wie die Franziskanerbrüder in Magdeburg, über Jahrzehnte ihr überzeugtes Glaubensleben gegenüber einer feindseligen Umgebung behaupteten – ohne jede Aussicht auf irdischen Erfolg. Damit blieb die Frage nach der die Wahrheitskraft von Gottes Güte und Erbarmen lebendig.

Diese Frage dürfte es sein, die in unserer Zeit zunächst evangelische Christen Anfang des letzten Jahrhunderts und dann erneut franziskanische Schwestern und Brüder in Franziskus von Assisi einen glaubwürdigen Zeugen des gelebten Evangeliums entdecken lässt, jenseits von Macht und Konformismus.

 

Bruder Johannes Schlageter forschte über die Zeit der Reformation und veröffentlichte einige Studien zum Thema. Der Priester und Wissenschaftler lehrte in Münster Fundamentaltheologie.


Ein Kommentar zu “Die Franziskaner in der Reformation

  1. Betrifft den Artikel: Die Franziskaner in der Reformation
    Wer kann mir auf dem Kreuzigungsbild von Lucas Cranach den Papst als Teufel zeigen, wie er sich Christus einverleibt? – So der Inhalt der Bildunterschrift. – In keiner Bildbeschreibung, die es sonst gibt, findet sich diese Darstellung!

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