02.08.2022 Tobias Rauser, Deutsche Kapuzinerprovinz

Werte-Symposium: Gemeinsam statt einsam

Vernetzung und Kommunikation in der franziskanischen Welt

Im Juni trafen sich im Kapuzinerkloster Münster und digital rund 80 Personen, um über Werte, Vernetzung und Kommunikation in der franziskanischen Welt zu sprechen. Dabei wurde klar: Wichtig sind eine klare und authentische Sprache, vernetztes Denken und der Wille zur Zusammenarbeit mit anderen Partnern.

„Wir stehen in der franziskanischen Welt, vor allem in den Orden, vor einem Umbruch.“ So brachte Bruder Christophorus Goedereis, Kapuziner und ehemaliger Provinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz, die Situation auf den Punkt. Gemeinsam mit dem Institut IUNCTUS sowie dem Projekt Networking Intentional Christian Communities (NICC) organisierten die Kapuziner im Juni das Symposium „Franziskanische Werte“ in Münster. Br. Christophorus moderierte das Symposium mit rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und gab die Richtschnur vor: „Wenn uns wir kooperativ und kommunikativ auf den Weg machen, dann werden wir die franziskanische Flamme neu ins Wort bringen, neu entfachen und für die Welt von heute in eine lebendige Relevanz bringen!“

 

Gemeinsam statt einsam: Symposium zu franziskanischen Werten. Bild von Tobias Rauser

Unabdingbar dafür ist eine „authentische und wertegetriebene Kommunikation“, sagte Tobias Rauser, Leiter der Kommunikation der Deutschen Kapuzinerprovinz. Ohne diese könne der Transformationsprozess der Orden nicht gelingen. Der gelernte Journalist rückte in seinem Vortrag im Kapuzinerkloster in Münster besonders die Sprache und die Zielgruppen in den Fokus. Wichtig sei, über die richtigen Kanäle in einer klaren und verständlichen Art zu kommunizieren. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, sagte er. Oft ginge es in der Kommunikation in der franziskanischen Welt um Internas und nicht darum, wie ganz konkret franziskanische Werte Gesellschaft, Kirche und das eigene Leben bereichern und verändern könnten. Auch die Scheu vor den sozialen Medien müsse überwunden werden. „Wir reden hier über die Chance zur Vernetzung sowie Aufbau und Pflege von Beziehungen zu anderen Menschen. Was früher der Marktplatz für die Kapuzinerpredigt war, ist heute das Internet, das neue Chancen für einen offenen Dialog auf Augenhöhe bietet“, so der Pressesprecher der Kapuziner.

Sr. Dietlinde Bövingloh, Provinzoberin der Franziskanerinnen von Münster-Mauritz, machte in ihrem Vortrag deutlich, dass die Kombination aus persönlicher Präsenz und einem guten Auftritt im Netz in der heutigen Zeit nötig ist. „Wir Ordensleute sind das entscheidende Medium“, sagte die Franziskanerin. Doch die Zahl der Schwestern nimmt ab, und damit auch ihre Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Deswegen kommen Ordensgemeinschaften um ein Engagement im Netz und in den sozialen Medien nicht herum. Die Erfahrung von Sr. Dietlinde zeigt, dass bei immer mehr Menschen der erste Kontakt im Internet stattfindet. „Eine guter und professioneller Auftritt dort ist alternativlos“, stellte die Ordensfrau fest. „Wir müssen sprachfähig sein. Für die, die unsere Werte teilen – auch für unsere Mitarbeiter.“ Ein wichtiger Punkt sei dabei die Vernetzung innerhalb der franziskanischen Familie.

Ein gutes Beispiel für diese Vernetzung ist Franciscans International. In dieser Organisation arbeiten die verschiedensten franziskanischen Orden und Kongregationen gemeinsam im Team mit Laien daran, ihre Werte auf der Ebene der Vereinten Nationen zu kommunizieren. Ihr Ziel: die Verteidigung der Menschenrechte. Mit Erfolg – und vernetzt, wie Bruder Markus Heinze, der Geschäftsführer der Organisation, den Teilnehmern des Symposiums in Münster berichtete: „Bei uns im Team sehen wir uns als Teil der franziskanischen Mission. Es ist nicht von Bedeutung, wer zu welchem Ordenszweig gehört oder ob wir einfach „nur“ Angestellte sind, wir erleben uns als Familie und arbeiten als solche zusammen.“ Für den Franziskaner gibt es eine wichtige Herausforderung in der Kommunikation: „Wie bringen wir das gelebte Beispiel, das Fühlen und Schmecken, in die digitale Welt?“

Doch was sind überhaupt „franziskanische Werte“? Bruder Thomas Dienberg, Kapuziner und Leiter des Kompetenzzentrums für Spiritualität, IUNCTUS, zeigte in seinem Vortrag, wie relevant und aktuell das franziskanische Credo heute ist. „In Geschwisterlichkeit in Verbindung mit allem leben. Und diese Beziehung zu dem, was ist und lebt, klug, gerecht, maßvoll und mutig zu gestalten: Das ist heute gefragt und gleichzeitig Bestandteil unserer franziskanischen DNA“, sagte der Theologe. Dazu gehört, agil und anpassungsfähig zu sein. „Mut, verbunden mit Transparenz und Respekt, das sind agile Werte, die den Wandel in der franziskanischen Welt positiv prägen sollten.“ Die franziskanische Spiritualität der Beziehung, das „being connected“, welches Schöpfung und Mitmensch wertschätzt, sei die beste Grundlage, gemeinsam Veränderungen anzupacken. Hier sieht der Kapuziner noch Luft nach oben: „Leben wir in der franziskanischen Welt wirklich dieses Miteinander und diese Verbindung? Rücken wir die Beziehung und unsere Werte in den Mittelpunkt?“

Einen besonderen Blick auf die Kommunikation von Werten ermöglichte Manuela Kalsky den Anwesenden und Zuhörerinnen und Zuhörern in Münster und im Netz. Manuela Kalsky ist Lehrstuhl-Inhaberin in den Niederlanden und verantwortet die multimediale und interreligiöse Dialogplattform „Das neue Wir“ (nieuwwij.nl). Sie berichtete, wie die Dominikaner in den Niederlanden ihre Werte kommunizieren – in einer superdiversen Gesellschaft, in der in einigen Städten mittlerweile mehr Einwohner mit Migrationshintergrund als alteingesessene Einwohner leben. „Die Niederlande sind eine post-christliche Nation, aber Religion ist nicht verschwunden, sondern zeigt sich in neuen Formen“, sagte Kalsky. Wer sich darauf nicht einlasse, der verliere den Großteil der Bevölkerung in der Kommunikation. Die Plattform stellt sich folgenden Fragen: Wie können wir polarisierendes Denken durchbrechen? Wie Unterschiede konstruktiv verbinden? „Wichtig ist, nicht von einem Einheitsdenken herzukommen, sondern die Vielfalt zu umarmen.“ Es gelte darum, im Dialog nicht in ein „entweder oder“ zu verfallen, sondern in ein „sowohl als auch“. „Dazu müssen wir umdenken und einen transreligiösen Dialog für die Zukunft in den Blick nehmen“, sagte die Professorin.

Zum Abschluss des Symposiums diskutieren Ulrike Rose, Bruder Markus Fuhrmann, Sonja Rakete und Br. Markus Heinze über die Transformation von Klöstern. Im Fokus stand die Frage, wie Orden gemeinsam mit Partnern diesen Wandel gestalten können. Für Ulrike Rose, Kulturmanagerin und Spezialistin für die Nachnutzung von Klöstern, steht fest: „Wichtig ist vor allem, die eigenen Werte zu kennen und diese verständlich formulieren und kommunizieren zu können.“ Erst dann sei es für Orden möglich, diese Werte mit anderen, etwa Laien, zu teilen. „Außerdem geht es um die Bedürfnisse aller Akteure. Wen diese klar sind und ehrlich zusammengebracht werden, dann können am Ende alle Beteiligten gewinnen und Klöster wieder aufblühen“, sagte Rose. „Für eine gute Nachnutzung gehören alle Partner der Stadtgesellschaft an einen Tisch“, bestätigte Sonja Rakete. Die Marketing-Expertin ist Vorständin der Genossenschaft Kloster-Wiedenbrück, die sich um die Nachnutzung eines ehemaligen Franziskanerklosters kümmert. „Mit guter Kommunikation und der Einbeziehung zahlreicher Mitglieder ist es uns gelungen, den Ort zu öffnen und etwas Neues wachsen zu lassen.“

Damit Neues entsteht, bevor Ordensleute die Klöster verlassen müssen, sollten die Orden an ihrem Selbstverständnis arbeiten, meint Br. Markus Heinze. Der Geschäftsführer von Franciscans International sagte: „Wir müssen wahrnehmen, dass die franziskanische Familie so viel größer ist, als wir sie oft definieren.“ Sein Ordensbruder Markus Fuhrmann, neu gewählter Provinzial der Franziskaner, betonte, dass Transformation zwar durchaus eine persönliche Herausforderung für viele Ordensleute sei. Dennoch sei der Wandel elementarer Bestandteil der franziskanischen Werte. „Das Unterwegssein mit leichtem Gepäck zählt zu unserer DNA“, sagte er. Für die Zukunft formuliert der franziskanische Ordensmann folgende Vision: „Ich wünsche mir in der franziskanischen Welt ein vielseitiges Ensemble an Aufbrüchen: Erfolgreiche Projekte, durch die Klöster spannend umgenutzt werden und die das franziskanische Charisma erfolgreich in die Welt tragen.“


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