Bruder Natanael Ganter

„Wenn ich groß bin, geh‘ ich nach Afrika!“

Franziskaner werden, Franziskaner sein

Ob es eine Begegnung war, ein Bild, ein Film oder eine Geschichte, daran kann sich Bruder Richard nicht mehr erinnern. Aber er weiß noch sehr gut, dass er schon als Kind von Afrika begeistert war: Nicht exotische Länder, wilde Tiere und die Lust am Abenteuer hatten ihn fasziniert, sondern die Menschen – vor allem die Armen. Denen wollte er helfen! Bereits im Alter von zehn Jahren eröffnete er seiner Mutter: „Wenn ich groß bin, geh ich nach Afrika!“

Aufgewachsen ist Richard Dzierzenga in Oberschlesien in Polen. Geboren 1953 als Sohn einer deutschen Familie, musste er sich früh in verschiedenen Welten zurechtfinden. Der Schulunterricht war in Polnisch, der Freundeskreis sprach Deutsch. Das Umfeld war sozialistisch geprägt, seine Familie aber gläubig katholisch.

Bruder Richard Dzierzenga. Bild von Archiv Deutsche Franziskanerprovinz.

Als Richard 14 Jahre alt war, half er bei der Auslieferung von Brot an das Franziskanerkloster in Gleiwitz, denn sein Vater, ein Bäckermeister, belieferte die Brüder mit Backwaren. Dort fiel ihm ein Werbeplakat auf: Mit dem Slogan „Afrika braucht deine Hände“ warb der Orden für die Afrikahilfe. Als er dann noch erfuhr, dass die Franziskaner sich speziell um die Armen kümmern, sah er seine Zukunft deutlich vor sich und wusste: „Das ist was für mich!“

Nach dem Abitur trat er dem Franziskanerorden in Breslau bei und auch nach seiner Priesterweihe 1980 wollte Bruder Richard immer noch nach Afrika. Die Breslauer Ordensprovinz hatte Kontakte nach Togo. Und da die offizielle Landessprache dort Französisch ist, durfte Richard zunächst für 15 Monate nach Paris, um die Sprache zu lernen. 1982 war es endlich so weit: »Ich war gut vorbereitet, ich dachte, ich wüsste alles über Afrika und könnte sofort anpacken und alle Probleme lösen!“, lacht der heute 66-Jährige. „Aber nach zwei Monaten in Togo musste ich mir eingestehen, Richard, du weißt gar nichts!“ Und so begann er erstmal mit viel Demut und Neugier die Menschen kennenzulernen. Zusammen mit einem älteren französischen Missionar lebte er in einem kleinen Dorf der Volksgruppe der Fulbe. Sie galten selbst für togolesische Verhältnisse als arm. Doch das störte ihn nicht. Genauso wenig, wie ihm die von Europa gewohnte Infrastruktur fehlte – er lernte schnell, ohne die vertrauten Annehmlichkeiten zu leben.

Nach drei Jahren flog er zum ersten Mal wieder nach Europa. Seine Eltern waren nach dem Tod der Großeltern doch noch nach Deutschland ausgewandert und hatten sich in Ulm niedergelassen. Bruder Richard wechselte nun von der Breslauer in die damalige Thüringische Franziskanerprovinz. Er blieb aber nur einige Wochen zu Besuch, denn Togo war der Ort, an dem er leben und arbeiten wollte. Sein Schulprojekt war gut angelaufen und die Gemeindearbeit lebhaft und herzlich. Mit Spendengeldern aus Deutschland, Frankreich und Polen hatte er begonnen, ein Mädcheninternat für 50 Schülerinnen zu planen.

Sein starkes Engagement blieb im Orden nicht verborgen und so wurde Richard zunehmend mit Leitungsaufgaben betraut: zunächst als Leiter eines neuen Studienhauses, das zusammen mit den Brüdern der Elfenbeinküste verwirklicht wurde. 2001 wurde Richard Dzierzenga erster Provinzialminister der neu gegründeten Ordensprovinz, die die Länder Togo, Elfenbeinküste, Benin, Burkina Faso und Ghana umfasst – ein Gebiet, so groß wie die Fläche Deutschlands, mit vielen verschiedenen Völkern, Stämmen und Kulturen. In dieser Zeit war er viel in Westafrika unterwegs, besuchte die Brüder, gründete Niederlassungen, verwaltete Projekte und setzte sich mit Landes-und Regionalregierungen auseinander. Aber vor allem die Hilfe für Straßenkinder in den Großstädten wurde zu seinem neuen Arbeitsschwerpunkt, den er bis heute weiterführt.

Bruder Richard hat in den letzten Jahrzehnten in Afrika viel gelernt. Er wurde zu einem Politiker, Manager und Welt-Bürger, der viele Geschichten erlebt und exotische Orte gesehen hat. Aber seine Grundmotivation, sich für die Armen Afrikas zu engagieren, ist bis heute der Mittelpunkt seines Lebens.


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