Von Bruder Helmut Schlegel ofm und Ricarda Moufang (Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität, Frankfurt)

Zeit

Schöpfung: Wer staunt, fängt an zu glauben …

Wir laden Sie zu vier Schritten ein: staunen – hören – glauben – tun.

Tempus fugit - die Zeit flieht. Bild von Lupo / pixelio.de
Tempus fugit – die Zeit flieht. Bild von Lupo / pixelio.de

staunen

Die Zeit. Wir messen sie, wir erfahren sie. In der Zeit wachsen wir, entwickeln wir uns, altern wir. Wir erleben Langeweile, wir empfinden etwas als „zeitlos“, wir vergessen die Zeit, wir sehnen uns nach „alten Zeiten“. Es gibt den Zeitraffer, die Zeitlupe. Und wer würde nicht gerne einmal eine „Zeitreise“ machen?

Und doch ist die Zeit niemals erfahrbar ohne Raum. Zu jedem Zeitpunkt befinde ich mich an einem bestimmten Ort. Verbringe ich an einem Ort viel Zeit ohne Bewegung, wird mir die Zeit lang. Bewege ich mich jedoch viel, gehe an andere Orte, verfliegt die Zeit schnell. Die Verflechtung von Zeit und Raum kommt auch zum Ausdruck in dem Begriff „Zeitraum“.

Das Merkwürdige daran ist, dass uns immer nur das Jetzt, der jetzige Augenblick, wirklich zur Verfügung steht. Das Vergangene ist vorüber, das Zukünftige noch nicht da. Aber aus dem Jetzt strömt die Vergangenheit, und im Jetzt lege ich durch meine Handlungen die Samen für die Zukunft. So ist Zeit einer der paradoxesten, gleichzeitig einer der selbstverständlichsten Faktoren, die unser Leben bestimmen.

Mir fallen zum Thema „Zeit“ auch die surrealen Bilder des spanischen Malers Salvatore Dalí ein. Er hat Uhren häufig als schmelzend oder von einem Tisch herabtropfend dargestellt.

Was also ist Zeit? Zeit ist vor allem: Leben. Zeit ist kostbar, jeder einzelne Moment. Zeit, geschenkt von Gott – Jetzt.

hören

Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz. (Kohelet 3,1–4)

glauben

Ich sage:
Bitte gib mir Zeit
Zeit zum Tun und Zeit zum Lassen
Zeit zum Wachen und Zeit zum Schlafen
Zeit zum Gehen und Zeit zum Stillstehen
Zeit für mich und Zeit für andere
Zeit zum Jungbleiben und Zeit zum Altwerden
Zeit zum Leben und Zeit zum Sterben

Du sagst
Du hast alle Zeit der Welt
Stunden, Tage, Jahre
sie gehören dir
Nutze sie
aber halte sie nicht fest
Fülle sie aus
aber stopfe sie nicht zu
Genieße sie
aber trinke sie nicht leer
Spiel mit ihnen
aber verspiele sie nicht

Ein Fluss ist deine Zeit
der einmal mündet
in meine Ewigkeit

tun

Versuchen Sie, einen Tag lang ohne Uhr zu leben und auf Ihre „innere Uhr“, auf den Rhythmus von Körper, Seele und Natur zu hören. Werden Sie sensibel für die Sonne am Mittag, für die Dämmerung am Abend, für die Müdigkeit des Körpers, und bestimmen Sie nach diesen Faktoren Ihren Tagesablauf.

Planen Sie jeweils am Ersten den folgenden Monat und tragen Sie in Ihren Kalender mit bunten Farben genügend große Zeitfenster ein für: Nichtstun, Bewegung, Freundschaftspflege, Lektüre, Aufenthalte in der Natur, Kultur.

Halten Sie jetzt gegen Ende des Jahres einen Rückblick auf das vergangene Jahr. Würdigen Sie zuerst das Schöne, Gelungene, Geglückte. Drücken Sie die Freude und den Dank auch anderen gegenüber aus, die mit Ihnen den Weg gegangen sind und Sie unterstützt haben.

 

Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Winter 2014