Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2

3/2021 5 Die Bewohner von Nbak haben die Hochebene während des Syrien-Krieges in eine Müllkippe verwandelt. Das meiste wurde inzwischen besei- tigt, doch der Wind zerrt noch immer an den unzähligen schwarzen Plastiktüten, die sich im trockenen Gestrüpp der Ebene verfangen haben. „Schwarze Plastikblumen“, sagt Joseph, der vor dem Krieg ein gut gehendes Tourismus- büro führte und in seiner Kindheit stets die hei- ßen Sommermonate in Mar Musa und seiner Gebirgswelt verbrachte. Mitte der 80er Jahre half er als Knirps beimWie- deraufbau der Ruine, die einst ein römischer Militärposten gewesen war. Er erlebte die ersten christlichen Gruppen, die aus Homs und Aleppo kamen, um beim Aufbau zu helfen. Gemeinsam mit muslimischen Arbeitern aus Nbak entstan- den Schlafräume, Bäder, eine Küche, eine Biblio- thek. Zahlreiche Nebengebäude wurden errich- tet, die Kirche wurde restauriert. Damals lernte der kleine Joseph den großen Paolo kennen. Paolo Dall’Oglio war ein willens- starker Italiener, der als Jesuit nach Syrien gekommen war. In Damaskus hatte man ihm gesagt, er solle zu den Höhlen von Deir Mar Musa al-Habaschi gehen, wenn er Gott finden wolle. Paolo Dall’Oglio war den steilen Berg hinaufge- stiegen und erlebte dort die „Stille der Wüste“, wie er viele Jahre später 2012 in einem Interview berichtete. Diese Stille sollte Dall’Oglio nie wie- der loslassen. Mar Musa wurde zu einem Pilger- ort für Suchende aus aller Welt. 360 Stufen waren gebaut worden, um den Auf- stieg zu erleichtern. Im Tal entstand ein Park- platz, darauf ein kleiner Laden, in dem man Käse, Kräuter und Marmeladen aus Deir Mar Musa kaufen konnte. Ab Mitte der 2000er Jah- re gehörte ein Besuch im Kloster zum festen Programm vieler Touristengruppen. Über den Höhlen von Deir Mar Musa war ein großes Wohn- gebäude entstanden, wo internationale Konfe- renzen zum interreligiösen Dialog stattfanden. Paolo Dall’Oglio hatte den Jesuitenorden ver- lassen und war der syrisch-katholischen Kirche beigetreten; Mar Musa gehörte zum Bischofssitz in Homs. Heute wird der Aufstieg zu Deir Mar Musa von einem Armeeposten bewacht. Angemeldeten Besuchern schließt der wachhabende junge Offi- zier das Tor zu den Stufen auf und winkt ihnen Deir Mar Musa Deir Mar Musa Der Gründer P. Paolo Dall’Oglio im Gespräch. © Archiv Kommissariat Westwand der Kirche mit den restaurierten Fresken.  © Petrus Schüler

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