Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 4

IM LAND DES HERRN 18 4/2022 ten“ haben übrigens auch vorwiegend theologische Bedeutung: Sie stellen die „Gemeinde der Armen und Verachteten“ dar, die als erste die „Frohe Botschaft von Jesus“ empfangen und weitersagen. Eine Zwischenbemerkung Die negativen Urteile über einzelne Berufe und Stände, die wir bisher aus der Umwelt Jesu kennengelernt haben, waren damals sehr weit verbreitet. Modern gesprochen: Die oben erwähnten Berufe hatten in Israel ein „schlechtes Image“. – Nun sind Pauschalurteile eine missliche Sache: sie differenzieren nicht, sondern scheren alles und jeden über einen Kamm. Das hat man auch vor 2000 Jahren schon empfunden. Und deshalb gab es Männer, die ihre Stimme gegen die allgemeine Diskriminierung bestimmter Gruppen erhoben. So hören wir von einem Rabbi, der einen Eseltreiber rühmt, weil dieser in der Hl. Schrift besonders bewandert war. Ein anderer erklärt die Kameltreiber „in ihrer Mehrzahl“ für zuverlässig. Wieder ein anderer meint, die verrufenen Schiffer seien rechtschaffene Leute, weil sie durch die Gefahren ihres Berufes zur Frömmigkeit angehalten würden. – Nur von den Hirten finden sich in den rabbinischen Schriften ausschließlich abfällige Urteile (wenn man von Stellen absieht, in denen Gott selbst oder Mose oder David oder der Messias als Hirten geschildert werden). Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, können wir sagen: Das bisher von uns gezeichnete Bild gibt wohl Anschauungen wider, die weit verbreitet waren, aber nicht kritiklos von allen geteilt wurden. Wohltuend vernünftig und noch heute beherzigenswert klingt die Mahnung eines Rabbis, man dürfe aus einem negativen Einzelvorkommnis kein Vorurteil gegen einen ganzen Stand ableiten. Die Dirnen Bei Mt 21,31 sagt Jesus zu den Ältesten und Schriftgelehrten: „Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ – Und im Hebräerbrief 11,31 lesen wir: „Aufgrund ihres Glaubens kam die Dirne Rahab nicht zusammen mit den Ungehorsamen um; denn sie hatte die Kundschafter in Frieden aufgenommen.“ – Und der Jakobusbrief fügt hinzu: „Wurde nicht ebenso auch die Dirne Rahab durch ihre Werke als gerecht anerkannt?“ (2,25). Dieses Lob regt uns an, uns kurz darüber zu informieren, was die Bibel zum Stichwort „Dirne“ zu sagen hat. Zunächst erfahren wir, dass geschlechtlicher Umgang mit Frauen gegen Bezahlung im alten Israel üblich gewesen zu sein scheint. Jedenfalls erwecken die frühesten Erzählungen nicht den Eindruck, die Israeliten hätten das Verhalten solcher Frauen als besonders tadelnswert empfunden. Im Mosaischen Gesetz wird allerdings die Praxis verpönt, dass Eltern ihre Tochter direkt zur Prostitution anhalten („Entweih nicht deine Tochter, indem du sie als Hure preisgibst, damit das Land nicht der Hurerei verfällt und voller Blutschande wird!“ – Lev 19,29). Es könnte bei dieser Stelle allerdings an kultische Prostitution gedacht sein (auf die wir gleich zu sprechen kommen). Später verurteilen die Propheten jede Buhlerei. Bei Jeremia z. B. klagt Gott: „Ich machte die Söhne Israels satt, doch sie trieben Ehebruch und waren zu Gast im Dirnenhaus“ (5,7). Mit einer Dirne verheiratet zu sein, konnte als Strafe Gottes gelten (Am 7,17). Die Weisheitsliteratur warnt vor der Dirne als einer bösen und trügerischen Frau (Spr 6,26). Priester dürfen „weder eine Dirne, noch eine Entweihte, noch eine Frau heiraten, die ihr Mann verstoßen hat, denn der Priester ist seinem Gott geheiligt“ (Lev 21,7). Zur Zeit Jesu waren – wie nicht anders zu erwarten – die „Profanprostituierten“ moralisch und gesellschaftlich geächtet. Als sich Jesus bei einem Gastmahl von einer stadtbekannten „Sünderin“ salben und berühren lässt, denkt sein Gastgeber (ein Pharisäer) bei sich: „Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt, dass sie eine Sünderin ist!“ (Lk 7,39).

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=