Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 4

20 4/2022 unten, hin zu denen, über die von anderen verfügt wird. In der Zeit Jesu war die Sklaverei in Palästina eine ganz normale Entwicklung. Jesus lässt denn auch ohne weiteres Sklaven in seinen Gleichnissen auftreten, z. B. Mt 24,45–51 (Gleichnis vom treuen und vom schlechten Knecht, den sein Herr „in Stücke hauen lässt“) oder Lk 17,7–9 (Gleichnis vom unnützen Sklaven, der „nur seine Schuldigkeit getan hat“). Direkt hat sich Jesus nie gegen die Sklaverei ausgesprochen. Doch hat er Wege aufgezeigt (er betonte z. B. die Gleichheit aller Menschen, indem er alle vor Gottes Gericht stellte), die später zur Überwindung der Sklaverei führten. Betrachten wir zunächst die jüdischen Sklaven und fragen wir: Wie konnte ein Israelit in den Sklavenstand geraten? Dies konnte durch einen Krieg geschehen: Kriegsgefangene, die man auf dem Schlachtfeld schonte, wurden oft zu Sklaven gemacht. – Auch Selbstverkauf war möglich: Wen Hungersnot oder wirtschaftliches Unglück von Haus und Hof vertrieb, konnte sich selbst in die Sklaverei verkaufen. Das war die einzige Möglichkeit, nicht zu verhungern. – Diebstahl konnte auch zur Sklaverei führen. Wenn ein Dieb das Gestohlene nicht ersetzen konnte, wurde er als Sklave verkauft (im Gleichnis vom „unbarmherzigen Knecht“ spielt Jesus auf diese Gepflogenheit an: Als sich herausstellt, dass der erstgenannte Knecht die zehntausend Talent, die er veruntreut hat, nicht zurückzahlen kann, „befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen, und so die Schuld zu begleichen“ [Mt 18,25]). – Ferner kamVerkauf von Kindern in die Sklaverei vor: Wenn Eltern verschuldet waren oder ihre Kinder nicht mehr ernähren konnten, blieb ihnen noch die Möglichkeit, sie als Sklaven zu verkaufen. Jeder jüdische Vater hatte das Recht, seine minderjährige Tochter (bis zu zwölf Jesus als der Gute Hirte, Hausmalerei in Mittenwald © Petrus Schüler IM LAND DES HERRN

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