Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 4

4/2022 25 Maria von Ägypten Maria von Ägypten von Kreta, deren Übertragung wir heute im Wesentlichen einem gelehrten Franziskaner verdanken: P. Kilian Kirchhoff (1892–1944), der als Dissident von den Nationalsozialisten in Brandenburg-Görden hingerichtet worden ist. In unerschöpflichen alt- und neutestamentlichen Bildern und Anspielungen wird in diesen Hymnen, die vor allem in der Liturgie der Fastenzeit auftauchen, der Seele der Spiegel vorgehalten, damit sie rechtzeitig zu Umkehr und Buße bereit wird, beherzt wie Maria eben. Die Begegnung mit dem Mönch Zosimas am Jordan Die Vita der Maria von Ägypten berichtet nach dem Besuch der Grabeskirche davon, dass Maria von ihr geschenktem Geld drei Brote kaufte und sich als Büßerin in dieWüste jenseits des Jordans zurückgezogen habe. Dort musste der Mönch Zosimas die nackte, nur mit ihren langen Haaren bedeckte Eremitin nach 46 Jahren zu Ostern gefunden haben. Maria bat ihn, ihr im kommenden Jahr, und zwar wieder zum Osterfest, die Kommunion zu bringen. Der Jordan war über die Ufer getreten. Maria ging zur Festzeit Zosimas entgegen, schlug ein Kreuzzeichen, schritt über das Wasser, empfing die Heilige Kommunion und verschwand wieder. Man kann an dieser Stelle einen Hinweis darauf sehen, dass Sophronius der Autor der Marien-Legende ist, stammte doch von ihm auch das liturgische Formular der Wasserweihe am 6. Januar, dem Fest Epiphanie, dessen zentrales Geheimnis nach der byzantinischen Liturgie die Taufe Jesu im Jordan ist. Als Zosimas im nächsten Jahr nach der Eremitin schauen wollte, sah er nur noch ihren Leichnam auf dem Boden liegen mit der in den Sand geschriebenen Bitte, sie doch zu begraben. Unverhofft war da ein Löwe, der dem Mönch half, mit seinen Tatzen die Grube für die Tote zu graben. Über Zosimas wissen wir nicht viel, das meiste eigentlich aus der Legende der Maria von Ägypten. Er wurde in der zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts in Palästina geboren, zur Regierungszeit Kaiser Theodosius II. früh in ein Kloster in seiner Heimat eingetreten, erwarb er sich den Ruf eines großen Ältesten und Asketen. Im Alter von 53 Jahren zog er als Hieromonk in ein strenges Kloster in der Wildnis nahe dem Jordan, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Die Geschichte der Maria von Ägypten ist eingebettet in die von Zosimas, dem heiligmäßigen Mönch. Die Büßerin traf auf den frommen und tugendhaften Mönch, der von Gottesleidenschaft ergriffen war. Die beiden verwobenen Viten haben etwas Kongeniales. Als Zosimas Maria begegnete, war sie 76 Jahre alt. Er, der Meister der Kontemplation, hatte die mystische Schau des Göttlichen schon verkostet, aber die Büßerin führte ihn weiter auf demWeg der Vollkommenheit, bevor er sich bereits mit dem Erreichten zufrieden gab. „Bei Zosimas wie bei Maria musste der Himmel eingreifen. Sie musste umkehren, er ganz von neuem anfangen, ganz unten, buchstäblich wie ein Novize… Zosimas ist würdig, Maria zu sehen, er als einziger unter allen MenMaria von Ägypten und Zosimas, Onesimus-Kloster Jericho © Petrus Schüler

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=