Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 4

4/2022 35 wie die Wunden der Passion auf dem Leib des Auferstandenen. Das würde auch die Faszination der Lateiner für das Jerusalem-Kreuz sowie das Wohlwollen der Franziskaner erklären. Sie erkennen darin die fünf Wunden Christi und die Stigmata des Heiligen Franziskus. Für Professor Guido Guerzoni aus Italien sei das Tätowieren ein „kleines Martyrium, ein öffentliches Blutvergießen“. Einige Pilger wünschten sich so viele Tätowierungen als möglich. So dieser Lateiner, den der schwedische Theologe Michael Eneman 1711 erwähnt: Er ließ sich die zwölf Apostel stechen. Die damaligen hygienischen Bedingungen waren aber so prekär, dass er beinahe an einem hohen Fieber gestorben wäre. Das allmähliche Verschwinden dieser Tradition bei den Europäern Jahrhundertelang war man sich sicher, dass die einzige Erinnerung, die auf dem Rückweg nicht in die Hände von Türken oder Räubern fallen würde, die Tätowierung sei. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten der Anstieg der Pilgerreisen, die erhöhte Sicherheit auf den Straßen und die Entwicklung des Tourismus und des Handels mit religiösen Souvenirs dieser Praxis ein Ende. Zumal sich in Europa seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hauptsächlich die Räuber, Gefangenen und Dirnen tätowieren ließen. Berühmte Ausnahmen waren Prinz Albert Edward, der älteste Sohn von Königin Victoria, der unter dem Namen Edward VII. auf den Thron s t ieg , und des - sen Sohn, der zukünftige König George V. Wird die Mode die Tradition wiederbeleben? Die Tradition des Tätowierens setzt sich bei den orientalischen Christen fort. Da eine nicht unerhebliche Zahl von jenen, die ins Heilige Land pilgern, später in Europa oder in den Vereinigten Staaten leben, trifft die Tradition auf die Mode der Zeit und am Ende sind es die westlichen Christen, die ihre Liebe zu Gott , Jerusalem und dem Heiligen Land zeigen wollen. Ist die Bibel für oder gegen das Tätowieren? Das Judentum berief sich auf einen Vers der Bibel, um die Praxis der Skarifikation zu verurteilen, wie sie bei Heiden als Zeichen der Trauer geläufig war. So im Buch Levitikus (19,28): „Für einen Toten dürft ihr keine Einschnitte auf eurem Körper Tätowierungen Tätowierungen Tätowierer Razzouk bei der Arbeit im Studio, Altstadt Jerusalem © MAB

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