Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 4

4/2022 9 Kirche war dort immer schon bekannt. Vor dem Bau einer neuen Kirche 1972 wurde das Gelände erforscht, wonach fünf Vorgängerbauten ausgemacht werden konnten, die bis ins 4. Jahrhundert zurückreichen. Gottesdienste wurden hier bis ins 10. Jahrhundert gefeiert, weshalb man sich entschloss, die neue Kirche nebenan zu errichten. Ob die Gräber der Weihnachtshirten hier anzusiedeln sind, ist letztlich nicht zu klären. Jenseits der offenen Fragen der Archäologie ist das orthodoxe Hirtenfeld allerdings liebevoll gepflegt und kann als Kleinod gärtnerischer Gestaltungssorge als Ort der Ruhe und der Naturschönheit dienen. Die beiden Hirtenfelder sind also sozusagen schon ökumenisch, bevor es zur konfessionellen Trennung kam. Die Hirten Sie waren, wie das Lukasevangelium (Lk 2,8–20) festhält , bei der Nachtwache, als der Engel , „vom Glanz des Herrn umstrahlt“ zu ihnen kam. Ihre verständliche Furcht verflog, da der Engel ihnen „eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“, verkündete. Sie sollten „als Zeichen… ein Kind finden, das in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“. Sofort war ein ganzes himmlisches Heer bei dem Engel, das Gott lobte und sprach (vermutlich sogar jubelnd sang): „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ Sie machten sich umgehend auf den Weg nach Betlehem, nachdem das himmlische Herr verschwunden war, und fanden vor, was ihnen angekündigt worden war. Was sie sahen, erzählten sie natürlich weiter und erzeugten großes Staunen bei ihren Zuhörern. Die Hirten kehrten zu ihren Herden zurück und rühmten und priesen Gott für das, was sie gehört und gesehen hatten. Nicht die Großen und Mächtigen, nicht die Klugen und Weisen sollten die ersten Augenzeugen des menschgewordenen Gotteskindes sein. „Normale“ Menschen waren auserwählt und erhielten die Chance dazu. Nach dem wichtigsten Ereignis der Weltgeschichte gefragt, werden immer noch ungezählte Menschen die Geburt Jesu als den Dreh- und Angelpunkt aller Zeiten und schlechthin bezeichnen. Seither bezeichnen wir die Jahre mit dem Zusatz „nach Christi Geburt“ und zählen die Jahre als Anni Domini (A. D.), auch wenn das manchen anderen Religionen und Agnostikern ein Dorn im Auge ist. Von den Hirten können wir Christen nicht nur an Weihnachten lernen, was es heißt, auch mitten in unserem Alltag offen für den Anspruch Gottes zu sein und der himmlischen Verheißungen zu vertrauen. Von ihnen auch dürfen wir die spontane Bereitschaft übernehmen, nachdem ein möglicher erster Schrecken verflogen ist , die Zeichen der gnadenerfül l ten Zei t zu suchen und wahrzunehmen und dann davon we i ter zuer zähl en . „Denn wovon das Herz überfließt , davon spricht der Mund. “ (Mt 12 ,34b) Pi lger, die die Hirtenfelder besuchen konnten, bestätigen dieses Jesuswo r t imme r w i ede r und berichten von ihren erfüllenden Erfahrungen an Ort und Stelle. In ihrem Handeln kann das Wort jedes Mal wieder Fleisch (Tat) werden. Kirche auf dem Lateinischen Hirtenfeld © Raynald Wagner Hirten Hirten

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