Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 1

IM LAND DES HERRN 22 1/2023 Die Synagoge von Kafarnaum, von der es interessante Rekonstruktionsversuche gibt, die in neuester Zeit allerdings in Frage gestellt wurden (man nahm z. B. lange an, der Bau sei zweistöckig gewesen und habe eine „Frauen-Empore“ besessen; dafür scheinen die Fundamente aber zu schwach zu sein!), soll uns Anlass sein, einen kurzen Blick auf die „Geschichte der Synagoge im Judentum“ zu werfen. Anschließend wollen wir uns – im Sinn unseres Generalthemas „Alltag zur Zeit Jesu“ – mit der Frage beschäftigen: Welche Rolle hat die Synagoge im Leben undWirken Jesu gespielt? Entstehung in der Diaspora Das Judentum kennt im Grunde nur ein einziges religiöses Zentrum, nämlich den Tempel in Jerusalem. Wenn man in dessen Nähe wohnt, hat man keine Probleme, die „Wohnung Gottes unter den Menschen“ zu besuchen, dort zu beten und am Opferkult teilzunehmen. Wie aber soll man seinen Glauben pflegen und sich religiös betätigen, wenn man in der „Zerstreuung (Diaspora)“ lebt, Hunderte oder Tausende Kilometer von der Heiligen Stadt entfernt? Diese Frage wurde besonders aktuell, als eine große Zahl von Israel iten in die sog. Babylonische Gefangenschaft (587–538 n. Chr.) verschleppt wurde. Hier in der Fremde, umgeben von lauter Andersgläubigen, fühlen die frommen Juden das Bedürfnis nach einer Stätte, an der man sich zum gemeinsamen Gebet und zum Studium des Mosaischen Gesetzes versammeln konnte. Ein solcher erster Versammlungsort könnte das Haus des Propheten Ezechiel gewesen sein (vgl. Ez 8,1: „Es geschah im sechsten Jahr, am fünften Tag des sechsten Monats. Ich saß in meinem Haus, und die Ältesten Judas saßen vor mir“). Was als Notbehelf begann, entwickelte sich zu einer festen Einrichtung. Als im Jahre 515 v. Chr. der Jerusalemer Tempel wieder aufgebaut wurde und im Zusammenhang damit allenthalben eine neue Begeisterung für Kult und Gesetz erwachte, gewann die Synagoge als Ort der Gesetzespflege erhöhte Bedeutung. Ohne dass wir die Entwicklung in ihren Einzelstadien verfolgen können, stoßen wir in den Tagen Jesu (und im ersten nachchristlichen Jahrhundert) auf den Tatbestand, dass es in jeder größeren jüdischen Siedlung eine Synagoge gibt. Des- Prophet Ezechiel, Piazza Spagna Rom von C. Chelli

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