Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 1

1/2023 25 „Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten!... Sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben.“) Wenn sich in der Nähe der Synagoge ein Bach oder Brunnen befindet, dient er zur rituellen Reinigung vor dem Betreten des heiligen Raumes. Andernfalls richtet man künstliche „Wasseranlagen“ ein, d. h. man legt ein rituelles Bad (Mikwe) an oder stellt wenigstens Krüge mit Wasser am Eingang der Synagoge bereit. (Der heutige Christ denkt in diesem Zusammenhang an die Weihwasserbecken am Eingang der Kirchen bzw. an die Besprengung der Gemeinde mit Weihwasser, das sog. „Asperges“ zu Beginn des Gottesdienstes.) Mit diesen Informationen haben wir gewissermaßen den Rahmen gezeichnet, in dem sich der Synagogengottesdienst abspielt. Aus unserer Beschreibung dürfte klar geworden sein, dass die jüdischen Synagogen von ihrer Lage (errichtet auf einem erhöhten Bauplatz) und von ihrer Ausstattung her (die Gemeinden schmücken ihren religiösen Versammlungsraum in der Regel so prächtig aus wie sie nur können) zu den stattlichsten und schönsten Bauwerken einer Ortschaft zählen. Gottesdienst in der Synagoge Wie schon mehrmals hervorgehoben, war die Synagoge ein Ort, an dem man die heiligen Schriften studierte (und die Kinder im Gesetz unterrichtete). Noch stärker empfand man sie als Stätte des Gebetes, der ein gewisser „Heiligkeitscharakter“ zukam. Weniger geläufig dürfte den meisten von uns sein, dass die Synagoge auch als Gerichtsraum dienen konnte, in dem Urteile gefällt und Bestrafungen vollzogen wurden. Darauf deuten die Worte hin, die der Evangelist Matthäus Jesus in den Mund legt (Mt 10,17): „Nehmt euch aber vor den Menschen in Acht! Denn sie werden euch an die Gerichte ausliefern und in ihren Synagogen auspeitschen.“ – Diese Worte spiegeln Erfahrungen der nachösterlichen Gemeinde. Sie dürften aber insofern einen „ jesuanischen“ Kern enthalten, als sicherlich schon Jesus mit seiner Reich-Gottes-Predigt in manchen Synagogen auf Widerstand und Ablehnung gestoßen ist. Aber kehren wir zurück zum normalen „Synagogenbetrieb“. Damit in der Synagoge ein Gottesdienst abgehalten werden konnte, mussten (und müssen noch heute) wenigstens zehn Männer anwesend sein (Frauen zählen damals nicht, und z.T. ist das bis heute so geblieben!). Über den korrekten Ablauf der heiligen Handlung wachte ein Synagogenvorsteher, dem ein Synagogendiener zur Seite stand. Wenn die erfor- „Stuhl des Mose“, Sitz des Synagogenvorstehers in Chorazin, Original im Israel-Museum Alltag zur Zeit Jesu Alltag zur Zeit Jesu

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