Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 1

IM LAND DES HERRN 28 1/2023 hat mich gesandt , damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen di e Ent l as sung verkünde und den Blinden das Augenlicht ; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Der Text [Lk 4, 18–23] ist kurz. In der Regel erwartet man von einem Vorleser drei Verse. Aber das von Jesus gewählte Minimum von nur zwei Versen ist immerhin möglich.) Nach den Worten Jesu (die in Hebräisch vorgetragen werden) tritt kurz der Dolmetscher in Aktion. Dann gibt Jesus die Schriftrolle an den Synagogendiener zurück und setzt sich, um von einem Recht Gebrauch zu machen, das jedem Israeliten (wie vorhin schon erwähnt) zusteht : er hält eine kurze Predigt . Nach Lukas besteht sie aus folgendem Satz: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ – Was Lukas im Telegramms t i l mi t te i l t , dür fen wi r etwas erweitern: Jesus legt dar, dass sich die Vision des Jesaia in seiner Person verwirklicht hat. Er ist seit seiner Taufe der „geliebte Sohn des himmlischen Vaters, auf den der heilige Geist herabgekommen ist“. Er ist berufen, die Armen seligzupreisen, den in Sünde und geistiger Finsternis Gefangenen Licht und Freiheit zu bringen und allen Menschen guten Wi l lens ein „Gnadenjahr“ des göttlichen Vaters anzukündigen. Mit ihm ist – kurz gesagt – die von den Propheten ersehnte „Heilszeit“ angebrochen. Die Reaktion der Synagogenbesucher ist zwiespältig. Auf der einen Seite bewundern sie das Selbstbewusstsein Jesu und seine Gabe, sich gewandt und überzeugend auszudrücken. Auf der anderen Seite haben sie kein Gespür für das Geheimnis seiner Person: sie suchen ihn zu „verkleinern“, indem sie auf seine niedere Abstammung und die Durchschnittlichkeit seiner Familie hinweisen. Der Gottesdienst, der offiziell nach der Predigt endet , hat in unserem Fall ein dramatisches Nachspiel . Die Nazaretaner werden wütend über Jesus. Sie fühlen sich von ihm provoziert und beleidigt und lassen sich zu einem Mordversuch an dem berühmten Sohn ihrer Stadt hinreißen: Sie wollen Jesus von dem Fel- „Christus lehrt in der Synagoge von Kafarnaum“, Ölgemälde von Maurycy Gottlieb, NationalmuseumWarschau ©Wiki commons

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