Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 1

IM LAND DES HERRN 30 1/2023 Die neuere Exegese vermutet aus guten Gründen, dass Jesus schon bald auf Ablehnung gestoßen ist und dass ihm deshalb „das öffentliche Gemeindehaus schon früh und in breiter Front als Ort der Predigt verwehrt wurde“ (W. Bösen). Was Jesus im einzelnen in den Synagogen gelehrt hat, welche Kommentare er zum alttestamentlichen Gesetz gegeben hat, wissen wir leider nicht mehr. Seine Gedanken kreisten vermutlich um den baldigen Anbruch der Gottesherrschaft (vgl. unsere Vaterunser-Bitte „dein Reich komme!“) und um die Bereitschaft des Menschen, sich dieser Gottesherrschaft zu öffnen und die „Einlassbedingungen“ zu erfüllen, wie sie in den Seligpreisungen der Bergpredigt (Mt 5,3–12) formuliert sind. Auf die Leute wirkten diese Gedanken aufregend und revolutionär. „Eine neue Lehre mit Vollmacht“, stellten sie betroffen fest (Mk 1,27). Worin diese „Vollmacht“ bestand, wird uns von Markus (1,22) indirekt mitgeteilt, wenn er die Predigt Jesu von der Lehrweise der Schriftgelehrten abhebt („Er lehrte sie wie einer der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“). Der Schriftgelehrte sprach nicht im eigenen Namen, sondern zitierte ständig theologische Autoritäten aus der Vergangenheit, die sich ihrerseits wieder auf frühere Autoritäten beriefen. Mit anderenWorten: Was die Schriftgelehrten über Gott mitteilten, entsprang nicht eigener Erfahrung, sondern – wie der Name sagt – den „Schriften“ anerkannter Gottesmänner. Es war eine Gottesbotschaft aus zweiter oder dritter Hand. Bei Jesus war das anders. In seinenWorten – das spürten die Leute – war Gott unmittelbar gegenwärtig. Jesus hatte es nicht nötig, sich auf anerkannte menschliche Autoritäten zu berufen, um seinen Lehren Gewicht zu verleihen. Er war so eng mit Gott verbunden, er hatte sich so tief in seinen Willen und sein Wesen „hineinmeditiert“, dass für einen aufgeschlossenen Hörer seineWorte mit denen Gottes identisch wurden. Während die alten Propheten in ihrer Verkündigung immer wieder die Formel einflochten „so spricht Gott, der Herr“, konnte Jesus erklären „ ich aber sage euch“, und „wer Ohren hatte zu hören“, verstand: Hier predigt nicht nur ein begabter junger Rabbi aus Nazaret, sondern hier spricht Gott selber zu uns. Provozierende Wunderheilungen „Vollmacht“ besaß die Lehre Jesu auch insofern, als sein Wort in vielen Fällen bewirkte, was es besagte. Konkret: Jesus hat in den Synagogen nicht nur „Heil“ verkündet , sondern auch „Heilungen“ vollzogen. Wir wissen aus zeitgenössischen Texten, dass damals Kranke ( ja selbst AussätziTabernakel in Form eines Tora-Schreines, „Domus Galilaea“ bei Chorazin

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