Im Land des Herrn | 78. Jahrgang | 2024 - 3

3/2024 25 und erläutern. Natürlich steht für jeden Leser der schreckliche Brudermord im Zentrum des Geschehens. Aber zunächst wird zu Beginn unserer Geschichte eine positive Feststellung getroffen: Adam und Eva zeugen ihr erstes Kind, Eva wird zum ersten Mal Mutter. Beachten wir, wie sie diesen Vorgang umschreibt: „Erworben habe ich einen Mann mit Jahwe.“ – Diesen etwas schwer verständlichen Satz könnte man vielleicht so umformulieren: „Ich habe einem männlichen Wesen das Leben gegeben, ähnlich wie Gott und zusammen mit ihm.“ Das Leben geht also von Gott her weiter, und jeder Mensch ist Geschenk Gottes, das die Eltern nur „erwerben“ können. Zu dieser schönen Botschaft erhebt sich bald umso greller die Dissonanz: Der erste von den Stammeltern gezeugte Mensch, dessen Name Kain übrigens nicht klar zu deuten ist (er hängt wohl mit einem arabischen Wort für „Lanze“ zusammen), wird der erste Mörder, der Mörder seines Bruders sein. Dieser Bruder, der bald nach Kain geboren wird, heißt Abel, und das klingt in hebräischen Ohren eindeutig nach „hebel“, d. h. „Hauch, Nichtigkeit“. – Dass der Mensch nur ein Hauch ist, das ist eine Aussage, die vor allem die Psalmen über den sündigen und gottfernen Menschen machen. Ohne Gott ist der Mensch ein Nichts, in seiner Existenz von allen Seiten bedroht. Besonders tragisch ist es natürlich, wenn die Bedrohung vom eigenen Bruder ausgeht. Diener des Ackers und Hirte Ein wichtiges Element im weiteren Gang der Handlung ist die Erwähnung der beiden unterschiedlichen Berufe, die von Kain und Abel ergriffen werden: „Abel wurde ein Schafhirt, Kain ein Diener des Ackers.“ Damit sind die beiden ursprünglichen Tätigkeiten des Menschen genannt: Viehzucht und Ackerbau. Nach biblischer Auffassung ist der Ackerbau die primäre Aufgabe des Menschen, vgl. Gen 3,23: „Gott schickte den Menschen aus dem Garten von Eden weg, damit er den Ackerboden bestellte, von dem er genommen war.“ Dieser Ackerboden war übrigens zur Strafe für die Ursünde des Menschen zur Widerspenstigkeit und Spärlichkeit verurteilt worden („Dornen und Disteln lässt er dir wachsen... im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen ...“ Gen 3,17 f.). Wenn man will, kann man den Hirtenberuf als einen Versuch deuten, diesen Fluch zu mildern. Durch die Züchtung bestimmter Tiere kann der Mensch auch die widerspenstigen Gewächse („Dornen und Disteln“) als Nahrung seiner Herden nutzbar machen. Freilich bringt er damit eine gewisse Entzweiung der Menschheit. Indem der Hirt seinen Vorteil und Nutzen sucht, fügt er dem Ackerbauern oft Schaden zu. Hirte und Bauer sind gewissermaßen natürliche Gegenspieler. Kain und Abel Kain und Abel Viehzucht und Ackerbau: Hirtenszene im „Nazareth-Village“ und Gemüsefeld bei Battir

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