4/2024 19 Wie einst das Menschenpaar, so segnete Gott nun Noach und seine Sippe mit dem Auftrag, sich zu vermehren und die Erde zu bevölkern. Hatten sich Mensch und Tier im Paradies rein vegetarisch ernährt, so erlaubte Gott jetzt (wohl als Zugeständnis an die allgemeine Sündhaftigkeit) das Töten von Lebewesen und den Fleischgenuss. Um jedoch einen letzten Funken Ehrfurcht vor dem tierischen Leben zu erhalten, verbot er den Genuss des Blutes (das in der Alten Welt als Sitz des Lebens galt). – Durch das Böse wurde übrigens auch (wie wir heute zu sagen pflegen) die „Lebensqualität“ des Menschen gemindert. Vor der Sintflut wurden die Menschen im Normalfall viele hundert Jahre alt (Noach selbst war beim Bau der Arche sechshundert Jahre alt und starb mit neunhundertfünfzig Jahren). Nach der Flut nahm die Lebenszeit fortschreitend ab, bis sie durchschnittlich nur noch einhundertzwanzig Jahre betrug. Sein oben schon erwähntes Versprechen, nie mehr die Strafe eine Sintflut zu verhängen, bekräftigte Gott schließlich mit einem förmlichen Bündnis. Er setzte als Zeichen dieses Bundes den Regenbogen ans Firmament, der mit seinen Strahlen das drohende Dunkel der Gewitterwolken erhellt und eine Brücke schlägt zwischen Himmel und Erde. Vom Sinn der Fluterzählungen Wohl jeder Gebildete weiß heute, dass die Geschichte von Noach und der Sintflut keine einmalige Erscheinung in der jüdisch-christlichen Vorstellungswelt ist, sondern dass es Fluterzählungen rund um den Erdball gibt. Die Frage drängt sich auf: Warum ist dieses Motiv so verbreitet? Warum ist es gewissermaßen „Allgemeingut der Menschheit“? Natürlich können wir auf diese Frage keine eindeutige Antwort geben, sondern nur Vermutungen äußern. – Es gibt Autoren, die davon ausgehen, dass die Welt und die Menschheit beim ersten Schöpfungsakt noch nicht gelingen konnten. Der göttliche Schöpfer musste quasi experimentieren und notfalls nachbessern. In dieser Sicht hätte die Flut den Zweck, die Riesen und Ungeheuer (denken wir an gewisse Dinosaurier) einer unfertigen Welt zu vertilgen. Man kann darüber spekulieren, ob Knochenfunde von ausgestorbenen Riesentieren die menschliche Phantasie beflügelt haben. Daneben finden wir Sagen und Mythen, die ganz auf der Linie der Bibel liegen: Sie erzählen von Göttern, die als Bettler auf die Erde kamen, um die Gastfreundschaft und das Mitgefühl der Menschen zu testen. Sie werden tief enttäuscht und beschließen in ihrem Zorn, die unbarmherzigen Geschöpfe durch eine Flut zu vertilgen. Irgendwo aber gibt es eine Witwe oder einen gütigen alten Mann, die es ver- Die Sintflut, Mailand, S. Maurizio Noach, der Erbauer der Arche Noach, der Erbauer der Arche
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=