4/2024 7 ben) und Stanislao Loffreda, das im Detail noch diskutiert wird, ist folgendes: Die weiße Synagoge ist weit jünger, als man vor hundert Jahren angenommen hatte; sie dürfte aus dem ausgehenden 5.Jh.n.Chr. stammen. Darunter fand man Reste mehrerer Vorgängerbauten: zuunterst einfache Häuser vom 13.Jh.v.Chr. bis in die letzten vorchristlichen Jahrhunderte; darüber ein öffentliches Gebäude aus der Zeit Jesu, das wahrscheinlich– einen archäologischen Beweis gibt es dafür nicht– die Synagoge aus der Zeit Jesu war. Ein interessantes und auch für den Laien sichtbares Detail ist die Baufuge zwischen den Basaltgrundmauern des Vorgängerbaus und der weißen Kalksteinsynagoge. Betrachtet man die westliche Außenmauer (von der baumbestandenen Sitzgruppe aus), erkennt man, dass die oberste Schicht von Basaltsteinen leicht geneigt ist; beim Neubau der Synagoge hat man sie nicht eingeebnet, sondern man hat die Kalksteine sorgfältig auf diese Neigung hin behauen. Außerdem ist an der Eingangstreppe eine der Kalksteinstufen so behauen, dass sie eine alte Basaltstufe überwölbt, ohne sie zu zerstören. Es gibt dafür keine architektonische Erklärung. War der Vorgängerbau erhaltungs- weil verehrungswürdig? Als Synagoge Jesu? Dies wirft freilich eine weitere Frage auf: Warum sollten Juden im 5.Jahrhundert die Spuren Jesu verehrt haben? Hier findet sich eine aufschlussreiche Parallele in der jüdischen Gemeinde – oder sollte man sie judenchristlich nennen? – von Nazaret: dort rühmten sich zumindest die Jüdinnen der Verwandtschaft Mariens. Sollten die Juden von Kafarnaum noch einen Schritt weitergegangen sein und die Erinnerung an Jesus in Ehren gehalten haben? Eine weitere Möglichkeit wird gegenwärtig diskutiert: Gehörte die byzantinische Synagoge überhaupt zu einer existierenden jüdischen Gemeinde? Oder war sie vielmehr eine christliche Erinnerungsstätte an die Synagoge Jesu? Wie auch immer, die zum Teil wieder aufgerichtete Synagoge von Kafarnaum (23x17m) gilt als eine der schönsten, die im Land anzutreffen sind. Schon dass sie nicht aus dem örtlichen schwarzen Basalt wie ihre Vorgängerinnen und viele andere Synagogen in Galiläa erbaut worden ist, sondern aus Kalkstein, der von auswärts beigebracht werden musste, zeigt ihren besonderen Rang. Wie bei den Synagogen in Galiläa üblich, ist ihre Fassade nach Süden, nach Jerusalem hin, ausgerichtet. Wenn die Synagoge also heute in die byzantinische Zeit datiert wird und 30m entfernt ein erstrangiges christliches Heiligtum stand (siehe im Folgenden), werden auch bisherige Vorstellungen über die Religionspolitik des byzantinischen Reiches brüchig. Es fragt sich ja: Wie war es möglich, dass unmittelbar neben einer Kirche eine so stattliche, geradezu prächtige jüdische Synagoge neu errichtet werden konnte? Die jüdische Gemeinde von Kafarnaum muss über beträchtlichen Einfluss verfügt haben, anscheinend konnte das byzantinische Regime durchaus tolerant sein. Selbst wenn die Christen von Kafarnaum Judenchristen waren, bleibt der Befund bemerkenswert; wir wissen anderswo von scharfen Spannungen gerade zwischen juden- und heidenchristlichen Gemeinden bis in die byzantinische Zeit hinein. Wie immer es gewesen sein mag, Baufuge der Außenmauer der Synagoge Kafarnaum Kafarnaum
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