Franziskaner - Frühling 2020

3 editorial Faszination Bibel Im Februar erschien eine neue Jugendbibel, die jungen Men- schen dasWort Gottes Nahe bringen soll. Umfragen zeigen, dass das dringend nötig war, denn die Begeisterung für das Buch der Bücher hat erheblich nachgelassen. Schade, findet Johannes Roth und macht sich dafür stark. Seite 6 bild oben © igor hollmann ofm »dieses buch kannman nicht lesen. man kann es nur tun.« (Reinhold Schneider) Wir erleben beides:Worte sind leer, hohle Hülsen, nicht gedeckt vom Leben, gedankenlos dahin­ geplappert. Aber auch:Worte sind prall gefüllt mitWirklichkeit, beglückender als ein Sechser im Lotto oder brandgefährlich wie eine Bombe. EinWort kann ungehört verpuffen – oder alles verändern. Wenn Christen vom »Wort Gottes« reden, meinen sie zunächst die Bibel. Dabei ist das Christentum nicht wirklich eine Buchreligion, auch wenn das oft behauptet wird. ImMittelpunkt unseres Glaubens steht keine alte Schrift, sondern der lebendige Gott. Und der spricht heute zu mir – immer aktuell. Er spricht in der Bibel. Er spricht durch Jesus von Nazareth. In ihm hat er endgültig sich selbst mitgeteilt. Und: Er spricht durch mein Leben. Wenn das stimmt, ergeben sich zwei einfache Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind: Glaube ich wirklich, dass Gott mir etwas zu sagen hat? Dann sollte ich nicht nur das hören, was mich beruhigt, sondern auch das, was stört. Und dann: Gestehe ich demWort Gottes zu, mich zu verändern?Wenn nicht, sollte ich lieber die Finger von der Bibel lassen! Zu diesen Fragen kommt mindestens ein großes Problem:Wie kann ich sicher sein, dass ich dasWort Gottes richtig verstehe? Mit ein paar Bibelzitaten kann man so ziemlich alles beweisen oder auch widerlegen. Und oft schon haben Menschen dasWort Gottes für ihre Zwecke missbraucht! Die Bibel ist kein Lesebuch, sie ist ein Lebensbuch. Immer wieder mahnt sie, dasWort nicht nur zu hören, sondern zu tun. Es gibt aber auch die umgekehrte Richtung: Sobald ich dasWort tue, verstehe ich es besser: »DieWorte der Bibel sind wie ein Samenkorn: Den Sinn, den sie für uns haben, offenbaren sie nur, wenn sie in den Boden des Lebens gesät worden sind. Dort verwandelt sie das Leben, und die Blüte erscheint. An der Blüte erkennt ihr den Sinn des Samenkorns.« (Carlos Mesters) Ein spannendes Buch, diese Bibel, voller Lebens- und Glaubenserfahrungen. Seit Jahrtausenden finden Menschen darin etwas von sich selbst und Antworten auf ihre wesentlichen Fragen. Aber die Bibel wirft auch Fragen auf! Alle kann diese Zeitschrift nicht beantworten. Doch vielleicht macht sie Lust, Antworten zu versuchen und neue Fragen zu stellen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls gute Leseerfahrungen – im neuen FRANZISKANER und in der Heiligen Schrift. Cornelius Bohl OFM (Provinzialminister)

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