Franziskaner - Sommer 2020

3 editorial mensch oder markt? wie kann wirtschaft dem gemeinwohl dienen? Manche Sätze prägen sich ein. ZumBeispiel: »DieseWirtschaft tötet!« Damit bringt Papst Franziskus seine Kritik an einemWirtschaftssystem auf den Punkt, das allein auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und den blinden Kräften des Marktes vertraut. Ein solches Modell treibe Menschen in die Armut. Eine gerechteWirtschaft müsse sich stattdessen am Gemeinwohl orientieren. Die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie will genau das: eine ethisch begründeteWirtschaftskultur, in der Menschenwürde, Solidarität, Ökologie und Nachhaltigkeit ebenso zählen wie finanzielle Rendite. Ziel allenWirtschaftens ist dasWohl von Mensch und Umwelt. Geld ist dabei Mittel, nicht Selbstzweck. Kritiker lächeln nicht nur über so viel Gutmenschentum. Sie stellen auch ernsthafte Fragen:Wer will denn entscheiden, was weltweit »gutes Leben« für Mensch und Umwelt bedeutet? Stimmt es wirklich, dass die einen in Armut leben, weil andere reich sind? Und leisten nicht gerade gewinnorientierte Unternehmer Entscheidendes für das Gemeinwohl? Eine solche Diskussion braucht Ehrlichkeit und Sachverstand auf beiden Seiten. Die vorliegende Ausgabe unserer Zeitschrift will dazu einen bescheidenen Beitrag leisten. Dass Franz von Assisi vor 800 Jahren, als sich mit der Verbreitung der Geldwirtschaft ein frühkapitalistisches System etablierte, eine fast phy- sische Abscheu gegen »Münzen und Geld« entwickelte und seinen Brüdern ein radikales Geldverbot mit auf denWeg gab, bleibt bis heute eine inspirierende Irritation. Der Kommunismus ist gescheitert. Auch der Kapitalismus bringt nicht das Paradies. Und schafft es eine »sozialeMarktwirtschaft« noch, in denKapitalverflechtungen eines globalenMarktesWirtschaftswachstum und sozialen Fortschritt gleicherweise zu sichern? Vielleicht braucht es tatsächlich einenBewusstseins- und Systemwandel, der dasUnfehlbarkeitsdogma ständigenWachstums aufgibt, weil dieRessourcen auf diesem endlichen Planeten nun einmal begrenzt sind. Der Begriff »alternativlos« wurde 2010 zumUnwort des Jah- res gekürt. Nur wo alternativeWege ausprobiert werden, entsteht Neues. Franz von Assisi war mutig, krea- tiv und frei genug, umin einer festgefahrenenGesellschaft undKircheAlternativen zudenkenund zu leben. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Cornelius Bohl OFM (Provinzialminister) XXXX XXXX Seite 6 © environmental issues digital vision Gemeinwohl Viele sprechen angesichts der globalen Situation von der Not­ wendigkeit grundsätzlicher Veränderungen. Da dies immer auch die ökonomischen Rahmenbedingungen betrifft, machten wir uns auf die Suche nach einer ethisch begründe­ ten Form desWirtschaftens, die gemeinschaftsstärkend und zukunftsfähig ist. Seite 6

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