Franziskaner - Herbst 2022

14 franziskaner 3|2022 wird –, lässt mich persönlich einigermaßen skeptisch zurück. Kann »gute«Machtausübung überhaupt funktionieren? Und wenn man den Blick weitet in die Politik hinein, die Wirtschaft, den Sport oder die jüngsten Skandale rund um die Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger betrachtet, dannwird die Skepsis an »guter« Macht schnell ziemlich grundsätzlich. Vor Jahren habe ich mit einer Person in Leitungsverantwortung über Macht philosophiert. In Anlehnung an den britischenHistoriker Lord Acton (»Power tends to corrupt and absolute power corrupts absolutely«) habe ich darauf insistiert, dass Macht korrumpiert. Ich wollte damit gar nicht werten, sondern einfach nur wahrnehmend beschreiben: Macht verändert. Meine Diskussionspartnerin hat massiv widersprochen. Nein, sie würde dieMacht nicht verändern. Sie wäre dagegen immun. Undmit einemSchlag wurde mir bewusst: Bei der musst du aufpassen! Seit etwas über zehn Jahren bin ich selbst in Leitungsfunktionen unterwegs. Und auch wenn ichmich regelmäßig biblisch-franziskanisch und anmeinen eigenen Idealen überprüfe: Ich bin sicher, dass mich die Macht korrumpiert und dass siemich verändert – nicht immer nur zum Guten. Wahrscheinlich werde ich Brüder finden, die mit meinem Leitungsstil zufrieden sind, – aber ganz bestimmt auch solche, die sich zu wenig eingebunden und wertgeschätzt oder vielleicht sogar übergangen und ungerecht behandelt fühlen. Und manch einer wird in mir wohl auch einen Karrieristen oderMachtmenschen sehen, auchwenn ichmich noch so sehr dagegen wehre. Es fällt mir schwer, eine christlich-franziskanische Vision von Macht zu entwickeln, zumal gerade in diesemAugenblick der Geschichte, wo täglich neueMachtmissbrauchstaten offenbar werden. Ich behelfe mich mit einer ordentlichen Portion Skepsis: denen gegenüber, denen Macht übertragen ist, ganz gleich in welchem Bereich – und auch mir selbst gegenüber. Mein Schweizer Mitbruder Josef Imbach, dem2002 in einem undurchsichtigen Verfahren »wegen seiner Lehrtätigkeit imAllgemeinen« ein weltweites Lehrverbot erteilt worden war, hat in seinem 2005 erschienenen Buch über Macht in der Kirche die Hoffnung ausgedrückt, »dass dieMachthaber irgendwann doch noch begreifen, dass sie – im eigentlichen Wortsinn – Dienst-Boten sind«. Es ist nun fast 20 Jahre später. Die Hoffnung hat ihren Anlass noch nicht verloren. Und vielleicht kann man eines Tages dann tatsächlich behaupten und alltäglich erfahren, dass es bei uns anders ist. macht macht Buchmalerei um 1260: hl. Elisabeth von Thüringen wird von ihrem Beichtvater Konrad von Marburg mit einer Rute gegeißelt gewählt werden, und unter gewissen Bedingungen auch das Amt des Provinzialministers übernehmen. In einemOrden, dessen Gründer so viel Wert darauf gelegt hat, dass alle gleichberechtigt Brüder sind, ein längst überfälliger Schritt zurück zu den Ursprüngen. Allerdings ganz bestimmt kein Allheilmittel, dass die Macht nun gerechter verteilt wäre oder besser ausgeübt würde. Auf kirchliche Strukturveränderungen heute übertragen: Nur weil ein Hauptabteilungsleiter kein Domkapitular mehr sein muss oder eine Amtschefin große Aufgabenbereiche eines Generalvikars übernimmt, ist die Machtausübung nicht plötzlich biblisch inspiriert oder entspricht gar einem modernen demokratischen Verständnis. Was in den letzten Jahren an kirchlichem Machtmissbrauch ans Licht gekommen ist – immer noch kommt undwohl auch noch länger kommen © akg-images – picture-alliance.de

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