Franziskaner - Herbst 2022

38 franziskaner 3|2022 Die Grundidee hinter diesem Argument ist, wenn ich einen besonders innovativer Unternehmer oder eine besonders innovative Unternehmerin bin, dann gelingt esmir, mit meinen neuen Produkten oder meinen neuen Produktionsweisen hohe Gewinne zu machen. Und wenn ich dann diese Gewinne wegbesteuere, dann ärgere ich mich als Unternehmer:in und fange erst gar nicht an, innovativ zu sein. Ich glaube, dass so etwas passieren kann, aber dass es tatsächlich kein großer Faktor ist beim Verhindern oder Ermöglichen von Innovationen. Wenn man sich Innovationsprozesse anschaut, dann stecken hinter diesen häufig zwei Akteure: einerseits kleine, innovative Unternehmen, die etwas Neues anfangen. Sie fangen das oft aus ganz anderen Gründen an und machen erst mal gar keine Gewinne, sondern in den ersten Jahren meist Verluste. Und dann zweitens der Staat selber. Dessen Rolle wird oft unterschätzt. Das schönste Beispiel sind die Smartphones. Fast alle Technologien, die in Smartphones zum Einsatz kommen, wurden an irgendeiner öffentlichen Einrichtung entwickelt. Das heißt, die Sorge ist zwar grundsätzlich vorstellbar, die dahinterstehende Überlegung spielt aber empirisch eher eine geringe Rolle. Zumal ja eine Besteuerung durchaus differenziert geschehen könnte. Wie es beispielsweise bei der Abschöpfung von Übergewinnen diskutiert wird, die ja ohne jedes eigene Zutun nur durch den Preismechanismus auf dem Energiemarkt entstanden sind. Zudem: Mit Sicherheit kein Innovationstreiber ist beispielsweise ein Bereich, wo Menschen in den letzten Jahren hohe Vermögensgewinne realisieren konnten. Das betrifft besonders den ganzen Bereich von Grund und Boden und Immobilien. Hier würde beispielsweise eine höhere Grundsteuer auf teure Villen ganz bestimmt keine Innovationen ausbremsen. Man kann tatsächlich eine Besteuerung von Grund und Boden so ausrichten, dass es sich lohnt, diesen besser zu nutzen und mehr Wohnungen zu bauen. Und das würde sich dann, weil mehr Wohnraum zur Verfügung steht, auch positiv auf die Mieten und damit auch inflationsdämpfend auswirken. Wagen Sie eine Prognose, wie die Inflationsentwicklung in den nächsten zwei bis drei Jahren in Deutschland und der EU verlaufen wird? Viel wird davon abhängen, wie sich die Lage an den Energiemärkten weiterentwickelt. Und dies wiederum ist stark davon abhängig, ob sich der Krieg in der Ukraine weiter intensiviert. Sollte der Konflikt nicht extrem eskalieren, dann prognostiziere ich auf mittlere Sicht, dass sich die Dinge an der Inflationsfront entspannen werden. Die Gründe dafür kann man relativ leicht aufzählen: Schon jetzt, bei den aktuellen Energiepreisen, beginnen viele Länder, viele Produzent:innen damit, Gas zu fördern, das vorher nicht gefördert worden ist, weil es sich bisher nicht gelohnt hat. Und dieses Gas wird auch ab nächstem Jahr nach Deutschland fließen können. Und das wird sich sehr positiv auf die Inflationsraten auswirken. Denn: Wenn die derzeit sehr hohen Energiepreise ab jetzt konstant blieben, also gar nicht fallen würden, dann würde die Inflation ja schon sinken. Falls durch zusätzliche Maßnahmen – wie zum Beispiel Gas- und Strompreisdeckel – die Energiepreise nicht nur konstant bleiben, sondern im nächsten Jahr fallen würden, hätte dies einen sehr starken Effekt auf die Inflationsrate. Der zweite Punkt ist: Wenn sich alle in der Europäischen Währungsunion weiterhin vernünftig verhalten, hat auch das einen dämpfenden Effekt auf die Inflation. Insofern wird Inflation auf absehbare Zeit bei uns zwar ein Thema bleiben. Und die Inflationsrate wird auch nicht in ein paar Monaten wieder bei zwei Prozent sein. Aber man kann hoffen, dass sich die Lage schon im nächsten Jahr stabilisiert und wir im übernächsten Jahr dann tatsächlich eine deutlich niedrigere Inflation haben werden. Das ändert nichts daran, dass die Probleme, die die derzeitige Inflation verursacht hat, dann immer noch da sind: dass viele Menschen reale Einkommenseinbußen gehabt haben. In der Konsequenz würde ich sagen: An der Inflationsfront kann etwas Entwarnung gegeben werden. Doch dies heißt keine Entwarnung im Hinblick auf die Maßnahmen, die die Politik ergreifenmuss, um denen, die jetzt und in den nächsten Monaten unter den steigenden Preisen sehr leiden, unter die Arme zu greifen. Aufgrund des Ukraine-Krieges fuhr Shell Deutschland wie viele andere Energiekonzerne enorme Übergewinne ein. Gleichzeitig warb das Unternehmen mit einem »CO2-­ Ausgleich« von 1,1 Cent pro Liter Sprit, was Shell in diesem Jahr den den Negativpreis »Goldener Geier« für die »dreisteste Umweltlüge« einbrachte Den Armen muss unter die Arme gegriffen und die Vermögenden müssen an den Kosten beteiligt werden © picture-alliance.de

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