Franziskaner - Herbst 2022

42 franziskaner 3|2022 Seelsorger an der Seite der Armen Natanael Ganter OFM »Sei ein Patriot – töte einen Priester« hieß es auf Flugblättern, die am 23. März 1980 über San Salvador, der Hauptstadt des kleinen mittelamerikanischen Landes El Salvador, abgeworfenwurden. Tags darauf wurde Erzbischof Óscar Romero, einer der prominentesten Kritiker des Regimes, von Todesschwadronen der Militärjunta beimVerlassen einer Kapelle erschossen. Es war der Beginn einer neuen Phase des Bürgerkriegs, der am Ende mehr als 75.000 Todesopfer in El Salvador fordern sollte. Zu diesem Zeitpunkt war Joaquin Garay 18 Jahre alt und gerade in das Noviziat der Franziskaner in Mittelamerika eingetreten – mit demWunsch, Priester zu werden. Joaquin wurde 1962 als fünftes Kind einer Familie in Usulután, einer Bezirkshauptstadt imSüdosten El Salvadorsmit heute 75.000 Einwohner, geboren. Seine Eltern arbeiteten als Lehrerin und Lehrer, mussten jedoch gleichzeitigmehrere Stellen übernehmen, um die Familie über die Runden zu bringen. Joaquins Vater war als Schulrektor ein linker Intellektueller, der für eine sozial gerechtere Gesellschaftsordnung eintrat. Joaquin wuchs in einem Land auf, das jahrzehntelang von einer Militärjunta regiert wurde und in demsichwenigemächtige Familien undGroßgrundbesitzer bereicherten, während der überwiegende Teil der Bevölkerung in Armut lebte. Joaquin hatte dennoch eine behütete Kindheit und wurde von seinen Eltern zu Toleranz, Gerechtigkeit und Bescheidenheit erzogen. Der Pfarrer in seinem Stadtteil war damals ein Franziskaner, undwährend der Semesterferien kamen junge Franziskanerbrüder in die Pfarrei und unterstützten das lebendige Gemeindeleben. Joaquin, der sich in einer Musikgruppe in der Pfarrei engagierte, war sehr begeistert von ihrer pastoralen Arbeit. Zusammenmit sechs Jungen aus der Pfarrei trat er dann auch direkt nach der Oberschule in die Ordensgemeinschaft ein. Neben seinem Wunsch nach einem Leben in Gemeinschaft war für seine Entscheidung das Beispiel der Franziskaner in seiner Gemeinde der wichtigste Grund. Die Brüder waren motiviert durch die »Theologie der Befreiung«, die die Kirche vor allem als Stimme der Armen verstand. Sie sahen es als ihre christliche Pflicht an, gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Entrechtung einzustehen. Das wollte Joaquin auch! Er sah seinen Platz als Priester und Seelsorger an der Seite der Armen und Benachteiligten. Joaquin Garay OFM lebte und arbeitete bis zu diesem Sommer in Mannheim und geht jetzt für drei Jahre nach Mexiko, um in Netzwerken für Geflüchtete tätig zu sein © natanael ganther ofm Podcast Die erste Staffel unserer Reihe »Franziskanische Lebensgeschichten« ist als Audio-­ Podcasts verfügbar. Auf vielen bekannten Podcast-­ Plattformen wie Spotify (PC) oder iTunes (Apple) und auf >> www.franziskaner.de sind die fünf bis neun Minuten dauernden Audio-Tracks erhältlich. Wir freuen uns über Likes und Kommentare!

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