Franziskaner - Herbst 2022

7 franziskaner 3|2022 Das Thema Macht ist in diesen Tagen bedrückend aktuell: Die brutale militärische Machtanwendung wähnten wir – zumindest in unseren Breiten – auf demMüllhaufen der Geschichte. Und die Kehrseite der Macht – die Erfahrung von Ohnmacht und Angst – bezieht sich nicht nur auf den russischenAngriffskrieg gegen dieUkraine. Zu nennen sind auch die Folgen des Krieges, wie die stark steigende Inflation, der drohende Energiemangel imkommendenWinter, die Befürchtung einer Insolvenzwelle bei vielen kleineren und mittleren Unternehmen oder die unterbrochenen industriellen Lieferketten. Stark verunsichernd wirkt auch die nicht endenwollende Covid-19-Pandemie. All dies führt uns die Grenzen des Machbaren vor Augen. Wut und Ohnmachtsgefühle bei den einen und ein »Kopf in den Sand«- oder »Nach mir die Sintflut«-Verhalten bei den anderen lösen die mittlerweile für alle erlebbaren katastrophalen Auswirkungen der Klimaerhitzung aus. Hier wissen wir eigentlich, was jetzt dringend zu tun wäre in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft. Handlungsempfehlungen auch für jede und jeden Einzelnen gibt es genug. Doch gefangen in unseren Gewohnheiten fehlen uns offensichtlichderWilleunddasVermögenendlichadäquat zuhandeln. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass eine aktuelle Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des »Spiegel« (16.–23.9. 2022) eine massive Veränderung der Gefühlslage der Deutschen zutage gefördert hat: Negative Gefühlsbeschreibungenwie Unsicherheit (42%), Wut (41%), Kontrollverlust/Machtlosigkeit (33%) oder Hoffnungslosigkeit/Angst (26%) sind in den letzten zwei Jahren und noch einmal in den letzten vier Monaten stark angewachsen. Sie überflügeln die deutlich positiven Emotionen wie Zuversicht (23%), Dankbarkeit (17%) oder gar Freude (7%) umLängen. Ähnliche Befunde lassen sich vermutlich auch in vielen anderen Ländern unseres Globus erheben. Das alles sind keine guten Ausgangspunkte dafür, konstruktive gesellschaftliche und politische Strukturen zu etablieren, in denenMacht benutzt wird, umdasWohl aller zu fördern, und die zudem kontrolliert und zeitlich begrenzt sind. Stattdessen breiten sich autoritäre Machtstrukturen auf unserem Globus aus, die immer weniger demokratisch kontrolliert werden können und zumeist nur demWohle und der Herrschaftssicherung weniger dienen. Auch in den parlamentarischenDemokratienwie aktuell in Schweden und Italien wächst der Anteil der Menschen, die autoritären Führungsfiguren und rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien anhängen. Auch wenn diese offensichtlich keinerlei Lösungsangebote für die komplexen Probleme des 21. Jahrhunderts haben, wünschen sich viele, gegen besseres Wissen, einfache Antworten, die von sogenannten starken Männern und mittlerweile auch Frauen ohne zu viel Rücksichtnahme durchgesetzt werden. Für Christinnen und Christen kommt noch der immer offensichtlicher werdende strukturelle Machtmissbrauch vor allemdurch sexuelle und geistlicheMisshandlung von Kindern und Jugendlichen in den Kirchen hinzu. Was nicht nur einenmassiven Vertrauensverlust vor allemgegenüber der katholischen Kirche zur Folge hat, sondern auch eine fortdauernde Austrittswelle. Schmerzlich tritt an dieser Stelle das berühmte Wort Jesu »Bei euch aber soll es nicht so sein …« in den Sinn. Was es mit dieser Forderung nach einem grundlegend anderen UmgangmitMacht auf sich hat, beleuchtet Andreas Brands OFM in seinem einführenden Beitrag. Ob die franziskanischen Orden anders mit Macht umgehen und welches Beispiel sie für Kirche und Gesellschaft eventuell geben können, berichtet AndreasMurkOFMConv auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen. Franz Richardt OFM wiederum, beschreibt was Geistliche Begleitung sein soll, wo hier die Gefahren des Geistlichen Missbrauchs liegen, und was beachtet werdenmuss. Er zeigt an Beispielen, was ein gelungener und ein missbräuchlicher Umgang mit geistlicher Macht ist. Zum Abschluss der Titelstrecke habenwir zwei Mitglieder des Synodalforums »Macht und Gewaltenteilung in der Kirche …« danach gefragt, welche Schlüsse Bischöfe, Ordensleute und Vertreter:innen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken beim SynodalenWeg inDeutschland ziehen, umeinen besserenUmgang mit Macht in der katholischen Kirche in Deutschland zu etablieren. macht © diy13 – stock.adobe.com

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