Franziskaner - Winter 2022

13 franziskaner 4|2022 tionen, dass Homeoffice, Ausbau der Digitalisierung und der knappe und überteuerteWohnraum in den Städten sogar eine gegenläufige Entwicklung in Gang setzen könnten. Außerdem gibt es Städte, die nur wenig Lebensqualität und Entwicklungsmöglichkeiten bieten oder in denen zum Beispiel die Schließung von Industriebetrieben zumWegzug führte, so im Osten Deutschlands. Gegenwärtig gehen die Prognosen für Deutschland davon aus, dass angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung – für 2060 wird trotz Zuwanderung mit einem Rückgang von fast zehn Millionen gerechnet – nur bestimmte Metropolregionen weiterhin wachsen werden. Zu den Wachstumszentren zählen das Rhein-Main-Gebiet, Berlin, München, Köln und Hamburg. Dass das Wohnen die soziale Frage der Zukunft ist, zeigt sich hier deutlich. In diesen Zuzugsregionen können sich das Leben imZentrumnur noch die wirklich Gutverdienenden leisten. Die weniger Vermögenden werden an die Ränder der Städte und ins weitere Umland verdrängt. Während in den Städten eine umweltfreundliche Mobilität ohne eigenen Pkw möglich ist, sind gerade die finanziell Benachteiligten im wortwörtlichen Sinne »außen vor« und von hohen Mobilitätskosten betroffen. Dass wohnen in der Verknüpfung mit der Frage der Mobilität eine besondere soziale Sprengkraft haben kann, zeigt sich nicht erst seit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise. Die infrastrukturelle, ökologische und ökonomische Entwicklung der großen Städte wird zur Zukunftsaufgabe – auch um die fortschreitende Klimaerhitzung zu bremsen. Mit der zunehmenden Verstädterung gelangt die Infrastruktur überall an ihre Kapazitätsgrenzen. Bei uns ist das an jedem Werktag in den Metropolregionen zu beobachten. In eine Stadt wie München aus den Wohnbezirken am Rande zum Arbeiten hineinzukommen, ist sowohl mit dem Auto wie mit dem öffentlichen Personennahverkehr nervenaufreibend und mit unverhältnismäßig langen Fahrtzeiten verbunden. In nahezu allen deutschen Städten ist das Verkehrsaufkommen bei der morgendlichen und abendlichen Rushhour ein gewaltiges Problem. E-Mobilität verringert zwar Lärm und Abgasemissionen, löst aber nicht das Kapazitätsproblem. Lösungskonzepte sehen Mobilitätsforscher:innen im Bereich eines flexiblen Wechsels zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln und in der Haltung: »Benutzen statt besitzen«. Ein wesentlicher Treiber für solcheMobilitätsstrategien ist die zunehmende Digitalisierung, die es ermöglicht, bei Bedarf per App ein Auto oder Fahrrad zu leihen oder das Fortbewegungsmittel zu wählen, das gerade zweckdienlich und verfügbar ist. Neben der Frage der Mobilität sind bereits heute viele Aufgaben von den Städten zu lösen, die immer noch als Zukunftsaufgaben bezeichnet werden. Schon jetzt ist beispielsweise an zu vielen Tagen im Jahr die thermische Belastung in den Innenstädten gesundheitsgefährdend hoch. Eine ganz andere Problematik, vor der die Stadtentwicklung steht, ist die zunehmende Verödung der Innenstädte. Erst verschwanden die individuellen, inhabergeführtenGeschäfte und das Handwerk, mittlerweile sorgen auch die ihnen folgenden Restaurants und Kneipen nicht mehr für das erhoffte Leben in der Stadt. Vom »Begegnungsraum« ist vieles Lichtjahre entfernt, was sich in deutschen Innenstädten tut. Fast 70 Prozent aller Städte klagen über Leerstände in besten Lagen, die schnell »ansteckend« wirken. Selbst die großen Ketten ziehen sich aus den Innenstädten zurück. Unsere Städte nehmen die Form eines Donuts an: außen ein fetter Rand, in der Mitte ein Loch. © slavun – stock.adobe.com

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