Franziskaner - Winter 2022

17 franziskaner 4|2022 Zwei der drei Koalitionsparteien können sich beimMietrecht sehr viel weitergehende Maßnahmen vorstellen, aber in der Koalition gilt der Koalitionsvertrag. Wir haben erreicht, dass beispielsweise die Mietpreisbremse bis 2029 verlängert wird. Die großen Fehler wurden hier in der Vergangenheit gemacht. Es wurden leider von Kommunen unter Beteiligung unterschiedlicher Parteien große kommunale Wohnungsbestände privatisiert und zumeist an großeWohnungsbaukonzerne verkauft, für die es natürlich um die Realisierung von Gewinnen geht. Sie aber nun zu enteignen, wie es im Berliner Volksentscheid gefordert wird, halte ich nicht für zielführend. Die öffentliche Hand müsste nämlich die Konzerne mit viel Geld entschädigen, und es würde dafür kein neuer Wohnraum zur Verfügung stehen. Da halte ich es für sehr viel sinnvoller, das Geld in den Neubau von Wohnungen zu investieren, wodurch sich der Wohnungsbestand insgesamt erhöht. Unbestreitbar ist der gigantische Problemdruck in vielen Städten. Das trifft selbst Familien mit höheremEinkommen. Es gibt beispielsweise inBerlinoft gar keinepassendenWohnungenmehr, selbst wennman das Geld dafür hat. Und diejenigen, dieweniger Geld zur Verfügunghaben,werden in ihrer eigenenStadt inweit entfernteRandbezirke verdrängt.Dadurch werden sozial gemischte Viertel immer seltener. Dagegen müssen wir dringend etwas tun, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht zu gefährden. Aus meiner Sicht brauchen wir also auf jeden Fall deutlichmehr Neubau, müssen aber gleichzeitig dieMieterschutzregelungen immer wieder überprüfen und nachsteuern. Für mich ist allerdings auch klar, dass diese Problemlagen nicht allein von der öffentlichenHand gelöst werden können. Wir brauchen auch den frei finanziertenWohnungsmarkt. Wir brauchen diejenigen anständigen Vermieter:innen – und davon gibt es Hunderttausende in diesemLand –, die nicht nur auf die allerhöchste Rendite schauen. Das sind oft Menschen, die ein bisschen Geld investiert haben, um nach dem Berufsleben ihre Rente etwas aufzubessern. Diese kleinen Vermieter:innen darf man jetzt nicht in eine Ecke mit großen renditegesteuerten Investmentfirmen, Miethaien etc. stellen. Diese große Gruppe müssen wir stärken, beispielsweise durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten, damit wir imnächsten Jahr aus diesemTal der Tränen beimWohnungsbau herauskommen. Mit der Anhebung der linearen Abschreibung für Mietwohnungsneubau von 2 auf 3 Prozent sowie einer neuen Sonderabschreibung für klimagerechten Mietwohnungsneubau setzen wir hier zum 1. Januar 2023 wichtige Impulse. Unser Ministerium setzt auch nicht nur auf Neubau, sondern unterstützt auch die Sanierung von Wohnungen, die derzeit gar nicht nutzbar sind, oder die Aufstockung von Gebäuden oder den Ausbau von Dachgeschossen. Dadurch entstehen keine Sozialwohnungen, aber mehr Wohnraum, und das hilft auch bei der Entlastung des Wohnungsmarktes. Grundsätzlich brauchen wir starke kommunale Wohnungsbauunternehmen. Am besten in jeder Kommune eines. Wenn die Kommunen zu klein sind, sollten sie sich mit Nachbarkommunen zusammenschließen. Solche Unternehmungen in öffentlicher Hand müssen wir gezielt und nachhaltig fördern, um die Zahl der Wohnungen in diesem Bereich Stück für Stück zu erhöhen. Das ist auch ein Weg, um Nebenkostensteigerungen besser in den Griff zu bekommen, denn diese sind ja faktisch an vielen Orten schon zu einer zweitenMiete geworden, sodass dieWarmmieten für viele – zum Beispiel für Studierende und Auszubildende – oft kaum noch zu bezahlen sind und junge Leute gezwungen sind, wieder zu den Eltern zu ziehen. FrauWeber-Moritz, Neubauten bedeuten immer einen großen Ressourcenverbrauch und haben eine weitere Versiegelung des Bodens zur Folge. Gleichzeitig hat sich die Koalition umfangreiche und absolut notwendige Ziele für die Klimaneutralität des Wohnungssektors vorgenommen und damit ein großes Programm zur energetischen Sören Bartol ist Politikwissenschaftler und seit 2002 direkt gewählter Abgeordneter für Marburg-Biedenkopf und bereits seit vielen Jahren für die Themen Bau, Wohnen und Stadtentwicklung zuständig. Seit Dezember 2021 ist er Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. grafik © archjoe freepik.com | © jesco denzel

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