Franziskaner - Winter 2022

18 franziskaner 4|2022 Sanierung desWohnungsbestandes.Wäre es vor diesemHintergrund nicht notwendig, das Hauptaugenmerk auf die Sanierung des Bestandes, die Verdichtung und Aufstockung und die Umwandlung von Büros in Wohnungen zu richten? Durch die Zunahme des Homeoffice werden wahrscheinlich auch perspektivisch viele Büros nicht mehr benötigt werden. Der Deutsche Mieterbund und die IG Bau haben gemeinsam im letzten Jahr eine Studie in Auftrag gegeben zu den Möglichkeiten der Umgestaltung in Wohnraum. Ein Ergebnis ist: Die Umgestaltung von Büro- in Wohnraum würde imDurchschnitt nur ein Drittel der Kosten eines entsprechenden Neubaus verursachen. Zudem könnten wir durch serielles Sanieren – also die Nutzung von standardisierten und in der Werkhalle vorgefertigten Modulen – dies noch deutlich günstiger realisieren. Die Frage einer sozialverträglichen und energetischen Sanierung treibt mich schon sehr um. Die Debatte, wie die ambitionierten und wichtigen Klimaziele bei sozialverträglichenMieten und genügendem Wohnraum für alle erreicht werden können, muss meines Erachtens noch sehr viel mehr Fahrt aufnehmen. Nach unseren Zahlen ist es bislang so, dass die Mieten nach einer Sanierung zumeist um 20 bis 30 % ansteigen. Das bedeutet für viele der bisherigen Mieter:innen, dass sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Das führt zu einem Akzeptanzproblem, denn Mieter:innen haben deshalb Angst vor einer Sanierung. Auf der anderen Seite führt an einer energetischen Sanierung des Bestandes keinWeg vorbei. Der CO2-Verbrauch und die Energiekosten müssen sinken, um den Klimaschutz voranzubringen. Es ist eine Riesenherausforderung, die energetische Gebäudesanierung hinzukriegen, ohne die Mieter:innen komplett zu überfordern. Herr Bartol, könnte da nicht die Warmmiete eine wichtige Rolle spielen? Die Heiz- und Stromkosten sind ja stark angestiegen, eine gute energetische Sanierung sollte doch nicht nur denCO2-Ausstoß, sondern auch den Energieverbrauch deutlich senken und damit preisdämpfend wirken. Ja, ich glaube auch, dass wir uns in Richtung Warmmiete bewegen müssen, weil hierdurch erst die reale Mietkostenbelastung in den Blick kommt. Um die wirksamsten Instrumente zu finden, sind gerade die ersten in Auftrag gegebenen Gutachten da, die jetzt von Expert:innen bewertet werden, um daraus dann konkrete Maßnahmen vorschlagen zu können. Andererseits stehen imWirtschaftsministerium dreizehnMilliarden Euro für die Gebäudesanierung als Fördermittel bereit. Das ist auch besonders wichtig, da in dermomentanen Situation ärmereMenschen, die meist in schlecht isoliertenWohnungen leben, doppelt betroffen sind. Bisher verfehlen ja der Mobilitäts- aber auch der Gebäudesektor regelmäßig die Co2-Reduzierungsziele. Hier müssen wir unbedingt schneller werden. Wenn es klappen soll mit den notwendigen Klimazielen, dann müssen wir bezahlbares Wohnen und Klimaschutz zusammendenken und dürfen dies nicht gegeneinander ausspielen. Ein weiteres Thema in diesem Kontext sind Anpassungsstrategien: Wir müssen unsere Städte jetzt an den bereits stattfindenden Klimawandel anpassen, damit wir die Städte etwas herunterkühlen. Sprich: Es müssen wieder mehr offeneWasserflächen in die Städte, und insgesamt braucht es mehr Grün in den Städten. Allein die Dachbegrünung bringt dabei eine Menge, nicht nur direkt für die Bewohner:innen, sondern auch für die Temperatur in der Stadt. Wir haben für die Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel ein Förderprogramm von bislang rund 500 Millionen Euro aufgelegt und werden derzeit von Kommunen mit Anträgen geradezu überflutet. Im kommenden Jahr werden erneut 200 Millionen bereitgestellt. Ich meine, wir müssen dies, um besonders in den Großstädten auch im Sommer noch gut leben zu können, in einem gesamtstaatlichen Kraftakt hinbekommen. Rund 40 % aller Emissionen kommen in Deutschland aus dem Gebäudebereich. Das betrifft nicht nur den Betrieb eines Gebäudes, sondern auch den Bau, den Transport und die Produktion der Baustoffe. Wir müssen den CO2-Fußabdruck der ganzen Kette massiv reduzieren. Von daher wollen wir uns auch nochmehr dem Thema »Graue Energie« – also der Energie, die durch Gewinnung, Herstellung, Transport, Lagerung und Entsorgung entsteht – widmen. Deshalb wurden die Förderprogramme auf die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden umgestellt. Und ein digitaler Ressourcenpass soll noch dazukommen. Das heißt, es müssen dann alle benutzten Baustoffe dokumentiert werden, damit man am Ende des Lebenszyklus weiß, was verbaut ist und wieder recycelt werden kann, und wir nicht nur jede Menge Bauschutt produzieren. Das wird dann auch helfen bei der Entscheidung, ob sich beispielsweise ein Umbau von Büros zu Wohnungen rentiert imVergleich zumAbriss und Neubau. Zum Ende unseres Gespräches möchte ich noch das Thema Stadtentwicklung kurz ansprechen. Genügend Wohnraumundbezahlbares undklimaneutralesWohnen in der Stadt braucht als Orientierungs- und Gestaltungsrahmen etwas, was vor einigen Jahren als »Soziale Stadt« bezeichnet wurde. Dies nimmt dann den Lebens- und Arbeitsort Stadt mit in den Blick. Damit sich die Menschen wohlfühlen, benötigen wir Stadtentwicklungskonzepte und die Beteiligung der betroffenenBevölkerung, umnachhaltig zu sein. Herr Bartol, wie sollten und wie können solche Prozesse unterstützt werden? Mittlerweile stehen für die gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzte Städtebauförderung pro Jahr allein vom Bund 790 Millionen Euro zur Verfügung – mehr wäre eigentlich notwendig, aber bei der derzeit angespannten Haushaltslage bin ich darüber auch schon froh. 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