Franziskaner - Winter 2022

29 franziskaner 4|2022 keine Kreuzfahrt zu gewinnen.« Jede:r darf nur eine Karte ziehen, und einmal darfman tauschen, falls der Segenüberhaupt nicht passt. Auffällig für mich ist, dass die Kirche in den meisten Fällen gar nicht oder nur sehr kurz Thema ist. »Ich bin nicht in der Kirche.« »Ich kannmit Kirche nichts anfangen«. Das sind Sätze, die häufiger fallen, wenn der Franziskaner sich vorgestellt hat. Bruder Gabriel gibt daraufhin klar zu verstehen, dass er auch nicht hier sei, um über Kirche zu sprechen. Er lenkt die Gespräche auf eine persönliche Ebene, will wissen, was die Menschen jeweils persönlich in ihrem Leben bewegt. Viele von ihnen nehmen diese Einladung an und berichten über ihre Vergangenheit, ihre derzeitige Situation und was ihnen auf demHerzen liegt. Warum viele Gesprächspartner:innen sich darauf einlassen, kann ich nur schwer sagen. Auch Bruder Gabriel selbst fällt es nicht leicht, eine Antwort zu formulieren. »Anders als im Gefängnis können die Menschen ja einfach weitergehen«, scherzt er wie so oft während einer Unterhaltung. Das, was ich in den zwei Tagen bei unzähligen Personen erlebt habe, ist auch mir selbst im Gespräch mit diesem Franziskaner widerfahren. Auch ich habe über meine persönliche Situation gesprochen, wie es dazu kam, und an welchen Stellen ich unsicher bin. Bruder Gabriel schafft es, aus meiner Sicht unbewusst, den Menschen eine Form von Sicherheit zu vermitteln, die es für sie einfach macht, sich zu öffnen. Er bietet einen geschützten Raum ohne Wertung. Er ist nicht belehrend oder gar missionarisch. Er bietet Hilfe an, indem er zuhört, nachfragt und an den richtigen Stellen Impulse gibt, die Menschen weiterhelfen. Er zeigt seinen Gesprächspartner:innen ganz beiläufig und auf einer persönlichen Ebene, was Glaube und Vertrauen in Gott heißen kann. Nein Natürlich ist nicht jeder Erstkontakt ein Erfolg. »Ich solle die Menschen nicht überfahren, wurde mir vor Projektbeginn gesagt«, erinnert sich Bruder Gabriel. »Aber genau das ist doch meine Taktik.« Trotz seiner offenen und authentischen Art erfährt auch er immer mal wieder Ablehnung. Wichtig sei es zu erkennen, wann man hartnäckig bleiben kann und wann ein Nein wirklich ernst gemeint ist. Auch dann bleibt der Franziskaner freundlich, wünscht einen schönen Tag und zieht seiner Wege. »Ablehnung ist natürlich nichts Schönes, aber es darf nicht dazu führen, dass du dich runterziehen lässt oder gar aufgibst«, sagt er mir während unseres Interviews. Am Ende des Tages überwiegen immer die positiven Aspekte des Tages, betont er. So habe es auch noch keinen Tag während des Projektes gegeben, an dem er die Entscheidung bereut habe. Bis in den November will er noch mit seinem Wohnmobil unterwegs sein, bevor er die Wintermonate in Waren an der Müritz verbringt. Wenn alles so läuft wie geplant, geht es dann im Februar 2023 wieder los. Wohin steht noch nicht fest. Aber wie immer bei dem reisenden Franziskaner wird sich schon etwas ergeben. Auf die abschließende Frage, wie lange er das Projekt noch machen möchte, sagt er: »Solange ich es noch kann und es mir Spaß macht.« Ein junger Mann aus Neustrelitz sucht dringend nach einer Wohnung. Bruder Gabriel wird selbst tätig, nachdem er hört, dass der Mann von mehreren Vermieter:innen aufgrund des Hartz-IV-Bezugs abgelehnt wurde.

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