Franziskaner - Winter 2022

8 franziskaner 4|2022 © global travic images – picture-alliance.com ten und daneben zunehmend Flüchtlinge aus anderen Krisen- und Konfliktgebieten in Deutschland Zuflucht suchen. Klimaneutralität ist eine Überlebensnotwendigkeit Und bei alledem ist die zentrale und überlebenswichtige Aufgabe unserer Zeit, die sofortige, massive Reduzierung des CO2-Verbrauchs im gesamten Bausektor, noch gar nicht berücksichtigt. Der Bausektor ist für 35 % des gesamten Energieverbrauchs und rund einDrittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Wenn Deutschland spätestens bis 2045 klimaneutral sein will, dann muss der riesige Sanierungsstau bei den Bestandsgebäuden sofort im großen Stil angegangen und parallel Photovoltaik überall auf die Dächer gebracht werden. Außerdem müssten möglichst viele nicht mehr benötigte Bürogebäude – bei denen dies zu verantwortbaren Kosten realisierbar ist – zu Wohngebäuden umgebaut und Gebäude, deren Statik dies erlaubt, aufgestockt werden. Dies gilt insbesondere, da der Neubau von Gebäuden alleine durch die Zementherstellung und den Transport besonders viel CO2 verbraucht und zu zusätzlich versiegelten Flächen führt. Von daher ist – so die Aussage von Fachleuten – aus Klimaschutzgründen die Sanierung des Wohnungsbestandes in der Regel dem Neubau vorzuziehen. Die neue Bundesregierung – das bescheinigen ihr die meisten Akteure im Bau- und Wohnungssektor, aber auch Umweltverbände – hat sich nicht nur richtige Ziele gesetzt, sondern auch in den erstenMonaten zahlreiche Förderprogramme und gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht, um die sozialen und ökologischen Herausforderungen anzugehen und diese nicht gegeneinander auszuspielen. Doch es bestehen erhebliche Zweifel, ob die bisherigen Initiativen undMittel auch nur annähernd ausreichen, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Denn es sind nicht nur noch viel mehr finanzielle Mittel nötig, es fehlt auch an den Baustoffen sowie anderen Materialien und vor allem an den Fachkräften. Zudem wächst langsam die Erkenntnis, dass so viel grüner Strom aus erneuerbarer Energie gar nicht produziert werden kann, um unser bisheriges unbeschränktes Wachstumsmodell CO2-neutral weiterführen zu können. Reduzierung des Platz- und Ressourcenbedarfs In vielen Köpfen hat sich die Erkenntnismittlerweile durchgesetzt, dass wir als menschliche Zivilisation nur dann überleben werden, wenn wir zur grundlegenden Veränderung bereit sind. Für uns im globalen Norden – auf den mit Abstand der größte CO2-Verbrauch pro Kopf anfällt – lautet die Herausforderung, ein gutes Leben für alle auf andere Weise zu realisieren, als durch immer mehr Konsum und quantitatives Wirtschaftswachstum. Auf den Wohnungssektor bezogen heißt dies: Wir müssen den bisher immer weiter angewachsenen Quadratmeterbedarf pro Person deutlich reduzieren. Im Jahr 2021 betrug die durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnfläche in Deutschland 47,7 Quadratmeter. Ledige, Geschiedene, Verwitwete leben in Einpersonenhaushalten, die im Schnitt fast 70 Quadratmeter verbrauchen. Es scheint, wir bleiben lieber unter uns, auch wenn die Kinder ausgezogen sind oder der Partner nicht mehr da ist. Es ist an der Zeit, unsere Vorstellung vom guten Wohnen wieder mit etwas geringeren Wohnraumbedarfen zu verbinden. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, denn welchen persönlichen Gewinn erzeugen große, repräsentative Wohnzimmer wirklich? Und bedeutet der Besitz eines großen Hauses, in demmittlerweile etliche Zimmer unbewohnt sind, wirklich gutes Leben? Wenn es gelingt, kluge, platzsparende Wohnlösungen zu entwikkeln, nachhaltigere und wiederverwertbare Baustoffe auch großflächig einzusetzen, lokale Wohnpartnerschaften zwischen Generationen zu vermitteln, attraktive Mehrgenerationenhäuser anzubieten und einiges mehr, dann kann der Impuls zum Miteinander-Teilen, zur gemeinsamen Nutzung von Räumen und Gerätschaften durchaus zur Zunahme von Lebensglück in einer lebensfreundlichen Umgebung führen. Ein solches Umsteuern wird nicht einfach, aber es würde sich lohnen, es zu versuchen. Unzählige Bewerber:innen hoffen auf ihre Chance, die Dreizimmer-Wohnung im Viertel Glockenbach in München mieten zu dürfen

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