Franziskaner - Frühling 2023

14 FRANZISKANER 1|2023 und zisterziensische Konstitutionen zurück, die Gebet, Arbeit, Gemeinschaftsleben und Gastfreundschaft allzu detailliert festschreiben. »Wo der Geist Gottes wirkt, da ist Freiheit«, hielt schon Paulus fest (2 Kor 3,17). Inspiratio divina steht denn auch an einer Schlüsselstelle der Ordensregel, die von der Aufnahme neuer Brüder oder Schwestern handelt: Von Gottes inspirierender Kraft Geleitete sollen liebevoll aufgenommen werden, geschwisterlich ermutigt die Ratschläge Jesu im Evangelium auf sich beziehen und sie individuell frei in die Tat umsetzen. Das gemeinsame Unterwegssein der Brüder und das Gemeinschaftsleben der Schwestern führte denn auch zu rein praktischen Regelungen. Sie betreffen Gemeinsames wie das Profil der Lebensorte und die Lebensgrundlage, die tragenden Rhythmen im Tag, die Kleidung Der Kapuziner Niklaus Kuster lebt in Rapperswil am Zürichsee und lehrt franziskanische Spiritualität und Kirchengeschichte an der Universität Luzern sowie an Ordenshochschulen in Münster und Madrid. und die Mahlzeiten, die Zuständigkeiten und den Schutz der Gemeinschaft sowie Fragen der Bildung und der Tätigkeiten. Definitive Regeln? Sowohl Franz wie Klara legen nach erfahrungsreichen Jahren eine Regel vor, die vom Papst approbiert wird, wiewohl das Vierte Laterankonzil 1215 solches untersagt hat. Die definitive Brüderregel erhält Ende November 1223 das päpstliche Siegel, Klaras »Lebensform« dreißig Jahre später im August 1253. Beide Texte haben bestätigenden Charakter, nach innen wie nach außen: Als rechtliche und kirchenpolitische Dokumente akzeptieren sie die Minderbrüder und die Armen Schwestern als neue Orden in der lateinischen Kirche und ermöglichen ihnen damit eine weltweite Ausbreitung. Für die Gemeinschaften selbst halten Das Reitverbot Im 3. Kapitel der Bullierten Regel verbietet Franz von Assisi seinen Brüdern ausdrücklich das Reiten, außer eine besondere Notlage oder die Schwäche des Mitbruders machen es erforderlich. Als junger Ritter war er selbstbewusst mit dem Pferd unterwegs, hatte dann aber leibhaftig erlebt, wie ihn die Begegnung mit einem Aussätzigen buchstäblich vom hohen Ross herab auf Augenhöhe mit diesem brachte. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal auf einem Pferd gesessen zu haben, geschweige denn geritten zu sein. Trotzdem hat das Reitverbot für mich eine aktuelle Bedeutung, wenn ich – soweit möglich – bewusst aufs Auto verzichte und öffentliche Verkehrsmittel nutze. »Park & ride« lädt mich ein, der Umwelt zuliebe das Auto stehen zu lassen, stattdessen mit Bus und Bahn zu reisen. So ist reiten (ride) übrigens erlaubt. Desgleichen dürfte mit dem Fahrrad unterwegs zu sein (to ride a bike) Franz gefallen. Die Fahrt mit dem Drahtesel fällt also wohl auch nicht unter das Reitverbot. Maximilian Wagner OFM, Vierzehnheiligen Über die Auslegung des geschriebenen Wortes ließ sich schon immer vortrefflich streiten © S. DILLER – ASSISI.DE

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