Franziskaner - Frühling 2023

17 FRANZISKANER 1|2023 regula bullata Die Bedeutung für den weltlichen Zweig Gisela Fleckenstein OFS Die 1223 durch Papst Honorius III. anerkannte und bis heutige gültige Regel des Franziskanerordens ist auch für den weltlichen Zweig der Franziskanischen Familie ein Meilenstein der franziskanischen Bewegung. Wurde doch darin die Lebensweise des Franziskus von Assisi innerhalb der katholischen Kirche bestätigt. Und nur weil es den Ersten Orden gibt, gibt es auch einen Dritten Orden. Innerhalb des Dritten Ordens nimmt der Säkularorden mit denjenigen, die außerhalb klösterlicher Gemeinschaften weltlich-franziskanisch leben, eine besondere Stellung ein. Der Ordo Franciscanus Saecularis, wie er seit 1978 offiziell heißt, ist weltweit der einzige Laienorden, für den die Spielregeln eines »richtigen« Ordens Gültigkeit haben. Nicht mehr alles ist erlaubt Eine Regel bedeutet eine Verbindlichkeit und eine Richtungsvorgabe. Nicht mehr alles ist erlaubt. Die Nicht-bullierte Regel des Franziskanerordens von 1221 war noch ein gewachsenes Dokument aus den Anfängen des franziskanischen Neuaufbruchs auf dem Weg des Evangeliums. Die Bullierte Regel des Franziskanerordens ist zuvorderst ein kuriales Rechtsdokument. Doch der Inhalt ist nicht verstaubt, da die seit 800 Jahren gültige Urkunde zugleich ein geistliches Dokument ist. Es ist die offizielle Richtschnur für alle Brüder, die im Sinne des heiligen Franziskus und nach seinem Vorbild »die Armut und Demut und das heilige Evangelium unseres Herrn Jesus Christus beobachten wollen, was wir [in der Profess] fest versprochen haben« (BR 12,4). Für Franziskus von Assisi und die franziskanischen Orden gibt es kein Leben nach dem Evangelium ohne die Kirche. Wichtig ist die durchscheinende und bis heute leuchtende Spiritualität der Ordensregel. Franziskanische Spiritualität Dr. Gisela Fleckenstein OFS ist Historikerin und stellvertretende Leiterin des Landesarchivs Speyer. Sie hat zahlreiche Beiträge zur franziskanischen Geschichte veröffentlicht und ist Mitglied des »Dritten Ordens« der Franziskanischen Familie. ist nicht an Strukturen und Hierarchien gebunden. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Dafür steht vor allem der Säkularorden. Schon in seinen Anfängen hatte er Mitglieder aus allen sozialen Schichten. Einfaches Leben und Orientierung am Evangelium Das geistliche Lebensmotto der Brüder ist das einfache Leben. Einfach leben in einer Beziehung zu Gott, in der Geschwisterlichkeit zu den Menschen und in Ehrfurcht vor der Natur und allen Geschöpfen. Dies bedeutet in der Nachfolge des Franziskus den Verzicht auf Besitz und Eigentum, Solidarität mit den Armen, eine Weltzugewandtheit, um das Reich Gottes zu verkünden, und eine allumfassende Geschwisterlichkeit. Die Umsetzung der sich aus dem Evangelium ableitenden Schritte ist immer von der jeweiligen Realität abhängig. Einfachheit ist immer relativ und lässt sich weltweit gelebt kaum an objektiven Maßstäben festmachen. Die Bullierte Regel hat daher nicht zu einer Einheitlichkeit im Franziskanerorden beigetragen, denn mit Berufung auf die Regel entwickelte der Erste Orden neue Zweige, wie beispielsweise Minoriten und Kapuziner. Der Säkularorden erhielt 1289 seine erste eigene bullierte Regel; diese wurde 1883 überarbeitet und dann noch einmal 1978 durch Papst Paul VI. Diese eigene Regel zeichnet eine moderne franziskanische, vor allem durch das Zweite Vatikanische Konzil geprägte Spiritualität aus. Aber weiterhin bleibt die Grundlage das Leben nach dem Evangelium. Und damit schließt sich der Kreis zur Bullierten Regel des Franziskanerordens, die die Franziskanische Familie seit 800 Jahren verbindet.

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