Franziskaner - Frühling 2023

22 FRANZISKANER 1|2023 2020 nie erreicht, weil die Auslandsvertretungen Deutschlands und die Ausländerbehörden im Inland so dermaßen überlastet und personell schlecht ausgestattet sind, dass nicht mal diese vergleichsweise geringe Zahl an Fällen überhaupt geprüft wird. Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe von Menschen, die einen Abschiebeschutz oder ein Abschiebeverbot erhalten haben. Darunter sind in Deutschland ziemlich viele Afghan:innen, die aufgrund der miserablen Versorgungslage in Afghanistan nicht abgeschoben werden dürfen. Diese Gruppe hat schon rechtlich deutlich schlechtere Bedingungen als die beiden anderen: Sie müssen nachweisen, dass sie ein genügend hohes Einkommen haben, um die Familie auch zu ernähren, und über genügend großen Wohnraum verfügen – sprich: für eine ganze Familie bereits eine große Wohnung haben. Darüber hinaus müssen sie nachweisen, dass besondere Härten vorliegen, die ein gemeinsames Familienleben unbedingt nötig machen. Dass gerade die finanziellen und den Wohnraum betreffenden Anforderungen nur schwer von Menschen erfüllt werden können, die gerade dabei sind, Deutsch zu lernen, und häufig in gering bezahlten Jobs arbeiten müssen, liegt auf der Hand. Menschen, die nur eine Duldung haben oder die noch im Asylverfahren sind, haben keine Möglichkeit, ihre Familie nachzuholen. Welche Auswirkungen hat das auf die Betroffenen, wenn sich der Familiennachzug sehr lange hinzieht oder gar scheitert? Unsere ungefähr 2000 Caritas-Berater:innen, die betroffene Familien hier in Deutschland betreuen, schildern, wie extrem belastend diese Wartezeit für alle Beteiligten ist. Diese häufig lange Wartezeit, die Unsicherheit … ist echt die Hölle. Die Gründe für diese Situation sind verschieden und unterscheiden sich auch je nach Herkunftsland. Wir haben es sehr oft mit Staaten zu tun, in denen es seit längerer Zeit keine deutsche Auslandsvertretung mehr gibt, also keine Deutsche Botschaft, oder/und in denen die staatlichen Strukturen wie in Syrien oder in Afghanistan schon lange zusammengebrochen sind oder nie wirklich bestanden haben. Afghaninnen und Afghanen beispielsweise haben kaum die Möglichkeiten, offizielle Dokumente zu erhalten, die sie aber benötigen, um ihren Anspruch auf Familiennachzug geltend zu machen. Andererseits gab es zumindest von der vorigen Bundesregierung auch eher wenig Interesse, hierfür Lösungen zu finden. Es wurde auch nicht nachdrücklich versucht, die personellen Kapazitäten an den Botschaften auszubauen, damit zumindest der ganze Prozess schneller geht, oder das ganze Verfahren flexibler zu gestalten und den Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Hat sich denn aus Ihrer Sicht seit dem Regierungswechsel etwas an den Verfahren verändert? Wir sehen auf jeden Fall eine gewisse Bewegung. Das betrifft ein Gesetzesvorhaben zum Geschwisternachzug, und auch diese unsägliche Begrenzung auf 1000 Personen beim Familiennachzug von subsidiär Geschützten soll wieder abgeschafft werden. Menschen, die wie aus Syrien zumeist vor einem fürchterlichen Krieg geflohen sind, sollen wieder den anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt werden. Bezüglich der langen Wartezeiten und des großen bürokratischen Aufwandes, der mit dem ganzen Verfahren des Familiennachzuges einhergeht, hat sich noch nicht wirklich etwas geändert. Aber ich hoffe hier auf das für die nächsten Monate angekündigte Migrationspaket II. Ich ganz hoffnungsvoll, dass es zumindest kleine Schritte in die von den Wohlfahrtsverbänden gewünschte Richtung geben wird. Woran liegt es, dass sich an den langwierigen und restriktiven Verfahren bisher so wenig geändert hat? Fehlt es am politischen Willen, oder ist es das Beharrungsvermögen der Bürokratie? In einigen Bereichen, beispielsweise bei Dokumentenanforderungen, ist dies von Deutschland aus nicht komplett zu beeinflussen. Es gibt zwischenstaatliche Abkommen, die regeln, wie viele Boschaftsmitarbeiter:innen ein Land entsenden kann. Dadurch kann es sein, dass eine deutsche Botschaft kein weiteres Personal aufstocken kann, wenn der Staat, in dem die Botschaft ist, das nicht will. Es gibt die Vermutung, dass dies zum Beispiel in Pakistan der Fall sein könnte. Aber eine Umstellung auf Online-Antragstellungen könnte ein Land wie Pakistan ja nicht verhindern. Natürlich nicht. Und es gibt auch andere Möglichkeiten, die Antragstellung zu beschleunigen – beispielsweise indem internationale Akteure wie der UNHCR eingebunden werden. Sie könnten den Prozess der Antragstellung übernehmen. Das wäre schon von daher sinnvoll, da der UNHCR vor Ort in vielen Flüchtlingslagern vertreten ist, lange Anfahrtswege zur Deutschen Botschaft in der Hauptstadt oder gar in einem Tausende von Kilometern entfernten Nachbarstaat vermieden würden. Tatsächlich wird schon seit einiger Zeit die IOM (Internationale Organisation für Migration der UN) an manchen Standorten von Deutschland eingebunden. Das hat auch beim Familiennachzug von Syrerinnen und Syrern zu einer gewissen Beschleunigung beigetragen. Aber das IOM-Programm ist an anderen Standorten leider sehr überlastet, sodass dies alleine nicht ausreicht. Ein anderer erfolgversprechender Weg ist natürlich die Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens und eine Bearbeitung von Deutschland aus. Das gibt es schon in Ansätzen, aber hier gibt es sicher noch viel Luft nach oben. Ein weiterer Engpass sind die örtlichen Ausländerbehörden. Bei jedem Visumsverfahren muss nämlich die Zustimmung der örtlichen Ausländerbehörde eingeholt werden. Dadurch müssen dann beispielsweise die Akten von Beirut nach Berlin oder sonstwo in Deutschland geschickt werden und landen dann bei einem/r Sachbearbeiter:in, Die Unsicherheit ist die Hölle

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