27 FRANZISKANER 1|2023 Würde nur Er noch leben der Dein einer Mensch war der den Weg der Grenze des Kreuzes der Liebe in seiner ganzen Stärke in seiner ganzen Schwäche gegangen ist bewusst und demütig und aufrecht gegangen ist Könnt‘ ich nur in seine Augen sehn könnt‘ ich nur zuschauen wie er seine Schritte bemisst hören wie er seine Stimme erhebt Könnte ich nur um diesen Mann sein und sehen und glauben dass er nicht zerbirst an der Sehnsucht am Menschsein Würde nur Er noch leben aber er ist nicht mehr im Hier Er ist in Dich hineingestorben und seitdem hält er unsereins Ich zerschelle nicht an der Grenze Ich sterbe nicht am Kreuz Ich zerberste nicht an der Existenz Ich auferstehe immer wieder in aller Härte in aller Sehnsucht zum Leben zum Lieben Elsbeth Schneider Das Gebet im Konjunktiv Gebet ist Zwiegespräch. Alles, was uns ausmacht, können wir vor Gott bringen. Alles – auch den Konjunktiv. Das Gewünschte. Das Unmögliche. Der Konjunktiv geht über das bloße Wünschen hinaus. Er beinhaltet die Vorstellung, etwas Gewesenes noch einmal zu erleben. Wir wissen, dass dieser Gedanke nichts mit dem Wirklich-Werden zu tun hat, jedoch … Ich bin gar nicht überrascht, diese Sprachform im Gebt zu finden. Spiele ich nicht auch mit den Wünschen und Vorstellungen? Was wäre, Gott, wenn …? Würdest Du …? Sollte ich …? Elsbeth Schneider öffnet uns einen Kraftort. Am Lebensweg Jesu entlang buchstabiert sie ihre Hoffnung. Ja, er ist den Weg des Leidens gegangen. Ja, er ist ein aufrechter Mensch gewesen. Ja, er hält die Sehnsucht nach der Menschlichkeit für uns wach. Die Beterin buchstabiert die tiefen Erfahrungen Jesu für heute. Unabhängig von einer gegebenen Antwort gibt sie sich diese selbst: Ich zerberste nicht an der Existenz! Ich auferstehe immer wieder. So wird das Gebet in einer Art Selbstbehauptung die Erlaubnis, von der Wunschform in die Wirklichkeit zu wechseln. Zum Nachdenken • An welchen beglückenden Moment denke ich, in dem ich nach einem Gebet die innere Kraft zum Aufstehen neu entdecken konnte?
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=