17 FRANZISKANER 2|2023 Wasser Thomas Meinhardt In vielen Ländern des globalen Südens ist die Versorgung mit sauberem Trinkwasser für einen großen Teil der Bevölkerung nicht gesichert. Die Rohrleitungssysteme sind häufig marode oder nicht vorhanden, es fehlt an Finanzmitteln und technischem Wissen für eine effektive Wasserwirtschaft, und auch die Korruption bei schlecht bezahlten staatlichen Angestellten ist häufig ein Problem. So entschieden sich vornehmlich seit den 1990er Jahren einige Staaten, Gebietskörperschaften oder große Städte ihre Wasserversorgung an private Unternehmen zu verkaufen. Sie erhofften sich bessere Wasserqualität, die Instandsetzung der Leitungssysteme, Versorgungssicherheit und nicht zuletzt ein qualifizierteres und effizienteres Wassermanagement. Doch die Realität sah in der Regel anders aus: Private Unternehmen haben kein Interesse an langfristigen und kapitalintensiven Investitionen in das Leitungssystem – ihr Motiv ist die kurz- oder zumindest mittelfristige Gewinnerzielung für ihre Aktionär:innen. So stiegen die Wasserpreise in vielen Ländern um 400 bis 700 Prozent, was den Zugang zu sauberem Trinkwasser für ärmere Mitglieder der Gesellschaft bald unbezahlbar machte. Zudem verschlechterte sich in ländlichen Gebieten sogar die Wasserversorgung, da hier große Kapitalinvestitionen bei vergleichsweise wenigen und finanzschwachen Abnehmer:innen keine Gewinne versprachen. »Beispielsweise wurde in Bolivien vor 20 Jahren in der Region Cochabamba das Wasser privatisiert. Es gab in den Verträgen keine Klausel, die die privaten Unternehmen verpflichtete, ländliche Gebiete zu versorgen. Die Bevölkerung sollte daher zur Benutzung von Brunnen Gebühren bezahlen. Gleichzeitig untersagten die privaten Firmen, nach Wasser zu graben. Und auch das Sammeln von Regenwasser wurde als Straftat eingestuft. (…) In der Provinz Kwazulu-Natal in Südafrika etwa konnten Anfang der 2000er Jahre lokale Gemeinden die Wassergebühren eines privaten Wasserversorgers nicht mehr bezahlen. Daraufhin schnitt ihnen dieser die Wasserversorgung ab. Als Folge starben mehr als 100.000 Menschen an Cholera, da sie verunreinigtes Wasser trinken mussten.« 1 In Deutschland ist der Versuch, die Wasserversorgung zu privatisieren, erst mal gescheitert. CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke lehnen dies grundsätzlich ab. Dennoch gibt es in Deutschland einen wachsenden Druck, das kostbare Trinkwasser beispielsweise aus Quellen für wenig Geld abzuzapfen, um es dann in Supermärkten in Flaschen zu verkaufen oder einer anderen kommerziellen Nutzung zuzuführen. So pumpt Coca-Cola seit 2007 in Lüneburg Grundwasser ab und produziert damit Produkte des Labels »Vio«. Der Konzern fördert bereits heute mehr als viermal so viel vom Grundwasserkörper als behördlich genehmigt und will seine Entnahme noch durch einen dritten Brunnen ausweiten. Dagegen gibt es massive Proteste der lokalen Bevölkerung, die angesichts der letzten Dürrejahre und der generell angespannten Wasserversorgung in der Region Probleme mit der Trinkwasserversorgung befürchtet. Da die beschriebenen Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung – insbesondere in den weniger entwickelten Ländern – nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel waren, haben viele Staaten mittlerweile von diesem Weg wieder Abstand genommen. Wie aber dieses zentrale Versorgungsproblem für alle Menschen lösen? Ein Weg, »der teilweise schon praktiziert wird, besteht in der Partnerschaft zwischen einer Kommune und einem privaten Unternehmen. Das private Unternehmen sorgt für eine gewisse Qualität des Trinkwassers und die Versorgung der ansässigen Gemeinschaft. Die Kommune kontrolliert diese Aufgaben.« 1 Ob ein solches Publik Private Partnership wirklich zu den gewünschten Ergebnissen führt, ist umstritten. Es könnte letztlich wegen der Unterlegenheit der kommunalen Aufsicht gegenüber den in diesem Sektor tätigen Großkonzernen ähnliche Folgen wie beim Verkauf der Wasserwerke an private Firmen haben. Grundsätzlich ist die Garantie eines Menschenrechtes eine öffentliche Aufgabe, die in staatlicher oder kommunaler Hand liegen müsste. Das würde bedeuten, dass örtliche Genossenschaften oder kommunale Institutionen technisch und finanziell in die Lage versetzt werden müssten, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser für alle sicherstellen zu können. 1 Alle Zitate stammen aus einem Text von Elena Lindberg auf www.wir-ernten-was-wir saen.de des Umweltministeriums von Baden-Württemberg. Vom Versuch, ein Allgemeingut zu privatisieren © THOMAS TRUTSCHEL – PICTURE-ALLIANCE.COM
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