Franziskaner - Sommer 2023

18 FRANZISKANER 2|2023 Wasser Interview mit Prof. Dr. Susanne Schmeier 1985 formulierte der spätere UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Gali: »Die Kriege der Zukunft werden um Wasser geführt.« Diese durchaus einleuchtende These hat sich so nicht bewahrheitet, zumindest nicht in dieser zugespitzten Form. Ist die Bedeutung von Wasser als Konfliktursache überschätzt worden? Nein, das glaube ich nicht. Aber es wurde vielleicht die Möglichkeit unterschätzt, Konflikte um Wassernutzung auch kooperativ zu lösen. Das Konfliktpotenzial besteht sicher weiterhin und hat sich auch durch den Klimawandel, die zunehmende Übernutzung von Wasserressourcen und verschiedene andere Herausforderungen noch erhöht. Gleichzeitig sind aber auch die Möglichkeiten gewachsen damit umzugehen. Allerdings sind die Kapazitäten und auch die Art und Weise der Konfliktbearbeitung in den verschiedenen Weltregionen sehr unterschiedlich. Zudem muss zwischen der internationalen Ebene – also tatsächlich zwischenstaatlichen Kriegen – und der lokalen oder innerstaatlichen Ebene unterschieden werden. Während bei Wasserkonflikten bisher so gut wie nie Kriege zwischen Staaten geführt wurden, so sieht dies auf der lokalen oder auch regionalen Ebene durchaus anders aus. Hier sehen wir in den letzten Jahren eine Zunahme an Konflikten, die teilweise – wenn auch selten – gewaltsam ausgetragen werden. Welche Rolle spielt nach Ihren Erkenntnissen der Zugang zu Wasser als Konfliktursache bei gewaltsamen Konflikten? Der Zugang zu Wasser war schon immer ein bedeutsamer Faktor. Denn: Wasser ist absolut lebensnotwendig für jeden von uns. Und mit dem zunehmenden Wasserbedarf durch Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung und die Auswirkungen des Klimawandels steigen natürlich die Herausforderungen, um mit den vorhandenen Wasserressourcen die Weltbevölkerung versorgen zu können. Das wird definitiv zunehmend zum Problem. Doch ob dies auch zu mehr gewaltsamen Konflikten führt oder führen wird, ist schwer zu beantworten. Zunächst müssen wir unterscheiden, ob es sich um einen wirklichen Wasserkonflikt handelt; wo Wasser also ursächlich wäre für eine Situation, in der zwei Gemeinschaften direkt in eine gewaltsame Auseinandersetzung über Wasser geraten. Konflikte zwischen Viehhirten und sesshaften Bauern in der Sahelregion, in Mali, im Niger, im Tschad, aber auch in Ostafrika werden in diesem Zusammenhang öfter genannt. Und hier kann man in der Tat sehen, dass es häufiger zu direkten bewaffneten Auseinandersetzungen kommt. Zum Beispiel wenn Viehhirten aufgrund von Wassermangel, der mit dem Klimawandeln in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, mit ihren Herden in Gebiete von Farmern kommen und Kriegsursache oder Quelle von Kooperation? deren Felder dann von Viehherden zertrampelt werden. Dies sind oftmals aber nur lokale Gewaltereignisse. In den Fällen, in denen diese zu größeren gewalttätigen Konflikten eskalieren, kommen oft noch andere Gründe mit hinzu: In Mali, Niger und Tschad sind die Viehhirten oft Muslime und die Bauern Christen, zwischen denen es seit Langem ohnehin schon religiöse Spannungen, soziale Ungleichheiten usw. gibt. Also selbst da, wo es ganz offensichtlich zu sein scheint, dass Wasser die Konfliktursache ist, spielen immer noch andere konfliktverstärkende Faktoren hinein. In vielen anderen Situationen ist es noch komplexer. Hier sprechen wir eher von Wasser als einem Konfliktverstärker; sozusagen etwas, was wirkt, als ob man Öl ins Feuer gösse. Ich denke hier beispielsweise an den Irak. Hier bestehen massive Konflikte auf sozialer, wirtschaftlicher, politischer oder auch religiöser Ebene zwischen einzelnen Provinzen sowie zwischen regionalen Bevölkerungsgruppen und der Zentralregierung. Als es dann 2018 im Süden des Landes eine Wasserverschmutzungskatastrophe gab, weswegen Tausende von Menschen ins Krankenhaus mussten, kam es zu starken, auch gewaltsamen Protesten mit Angriffen auf Regierungsbeamte. Dies hat letztlich zum Sturz der Regierung geführt. Doch auch dies ist nur passiert, weil große Teile der Bevölkerung sich schon lange ungleich behandelt fühlten und die Wasserverschmutzungskatastrophe für sie nur ein weiterer Beleg für die Unfähigkeit der Regierung war. Und wie sieht es auf grenzüberschreitender Ebene aus? In verschiedenen Wassereinzugsgebieten in unterschiedlichen Weltregionen finden sich fast identische Ausgangssituationen, die aber gänzlich anders gehandhabt werden. Eine typische Situation ist: Ein Anrainer am Oberlauf eines Flusses baut einen Staudamm, die Unteranrainer befürchten negative Auswirkungen auf ihre Umwelt und/oder ihre wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten und damit möglicherweise auf ihre soziale und politische Stabilität. Dies führt in einigen Regionen zu problematischen Konflikten. Ich denke an den Nil, wo Ägypten damit gedroht hat, den Staudamm in Äthiopien zu sprengen. In anderen Regionen mit genau der gleichen Konstellation – etwas dem Mekong – ist es dagegen nicht zu einer derartigen Eskalation gekommen, sondern zu Abkommen über gemeinsame Nutzungen. Woran liegt es, dass Wasserkonflikte zwar konfliktverstärkend sein können, aber selten zu größeren gewaltsamen Auseinandersetzungen geführt haben? Selbst wenn es bisher fast nie zwischenstaatliche Wasserkriege gab, so führen Wasserkonflikte wie beispielsweise in Zentralasien durchaus zu diplomatischen Krisen bis hin zum Ab-

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