Franziskaner - Sommer 2023

21 FRANZISKANER 2|2023 Zudem gibt es auch die Möglichkeit von Initiativen zur Verhandlungsunterstützung. Im Hinblick auf den Nilkonflikt unterstützt auch Deutschland verschiedene Initiativen für eine objektivere und sachlichere Berichterstattung, um der politisch extrem aufgeheizten Debatte in Äthiopien und Ägypten ein bisschen was entgegenzusetzen. Hier geht es um die Ausbildung von Journalist:innen, um zum Beispiel hydrologische Daten besser verstehen zu können und über die wirklichen Auswirkungen des Staudamms objektiver und faktenbasierter zu berichten. Viele Maßnahmen können durch staatliche und auch durch Nichtregierungsorganisationen ergriffen werden, ohne dass gleich das Außenministerium mit seinen Zwängen alles verantworten muss. Wo sehen Sie mögliche Aufgaben für zivilgesellschaftliche und religiöse Organisationen, um die Kooperationsbereitschaft bei Wasserkonflikten zu unterstützen? Zivilgesellschaftliche und vor allem auch religiöse Organisationen, besonders in Ländern, wo Religion eine große Rolle spielt, haben natürlich eine ganz wichtige Rolle bei Streitschlichtungen und der Förderung von Zusammenarbeit. Gleichzeitig gießen sie allzu oft noch Öl ins Feuer. Die Aufgabe ist, die Zivilgesellschaft in den beteiligten Ländern und Regionen dafür zu mobilisieren, sich für Kooperationen einzusetzen. Dies hilft letztlich, die Menschen und die verschiedenen Gemeinschaften vor Gewaltkonflikten zu schützen, ihnen wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es kein leichtes Unterfangen, da in vielen Ländern, in denen solche Konflikte herrschen, Zivilgesellschaften entweder extrem schwach sind aufgrund des entsprechenden politischen Systems oder aber für Partikularinteressen instrumentalisiert werden. Es geht darum, die Zivilgesellschaften dabei zu unterstützen, die Interessen der Bevölkerung in solche Prozesse einbringen zu können und die religiösen Autoritäten zum Eintreten für Versöhnung und Kooperation und gegen Hass und Gewalt zu gewinnen. Gelingt dies, wäre schon einiges gewonnen. Interview und Bearbeitung: Thomas Meinhardt Abwasser: »Aus den Augen – aus dem Sinn« Mit dieser Überschrift würden vermutlich die Mitarbeitenden von Kläranlagen unser Verhältnis zu verschmutztem Wasser beschreiben. Sie finden immer wieder Erstaunliches in den Fangvorrichtungen ihrer Anlagen. Fast 130 Liter Abwasser spülen wir in Deutschland pro Kopf und Tag in den Abfluss. Manche Mitmenschen versuchen, alles, was sie nicht haben wollen und was irgendwie durch das Rohr passt, im Abwasser verschwinden zu lassen. Besuchen Sie mal eine der Kläranlagen Ihrer Kommune und sprechen Sie mit den dort Arbeitenden. Sie werden betonen, dass zu einem sorgsamen Umgang mit dem kostbaren Wasser auch eine entsprechende Haltung gegenüber dem »Abwasser« gehören müsste, und geben gerne Tipps. Rund neun Billionen Liter Abwasser fließen jährlich durch Deutschland. Etwa vier Billionen Liter sind vor allem Regenwasser, das ebenfalls in der Kanalisation und den Klärwerken landet, weil es auf versiegelten Flächen nicht versickern kann. Über fünf Billionen Liter des Abwassers sind sogenanntes Schmutzwasser – Abwasser aus privaten Haushalten, Industrie und Gewerbe. Weit über 95 Prozent der Bevölkerung Deutschlands sind an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Auch das ist im Weltmaßstab alles andere als selbstverständlich. Das deutsche Kanalnetz ist mit rund 515.000 Kilometern so lang, dass es etwa 13-mal die Erde umrunden könnte. Das darin transportierte Abwasser wird zu fast 100 Prozent in Kläranlagen behandelt. Sie verfügen in der Regel über eine mechanische und zwei biologische Reinigungsstufen. Für die über 10.000 Kläranlagen sind im Allgemeinen die Kommunen zuständig. Am Ende landet das – so gut es geht – gereinigte Wasser in Seen, Flüssen und im Meer … Gegenwärtig wird die Verpflichtung zu einer vierten Reinigungsstufe diskutiert, um die Stoffe, die bisher nicht herauszubekommen waren, zu entfernen. Mikroverunreinigungen und Nanomaterialien finden sich in den letzten Jahren immer häufiger im Wasser. Arzneimittel, Mikroplastik, Kosmetika, Farbstoffe, Reinigungsmittel und viele Haushalts- und Industriechemikalien sind im Wasser gelöst und können noch nicht herausgefiltert werden. Bisher hofften die Verantwortlichen auf die Verdünnung, doch die Qualität unseres Trinkwassers und des in die Flüsse abgegebenen gereinigten Abwassers wird messbar schlechter. Die vierte Reinigungsstufe wird erhebliche Kosten bei den Betreibern der Anlagen verursachen. Ein weiteres Problem, vor dem die Abwasserwirtschaft in Deutschland steht, sind fast zwei Millionen Tonnen Klärschlamm, die in den Kläranlagen jedes Jahr anfallen. Früher landete der Klärschlamm als Dünger auf den Feldern, denn er enthält Pflanzennährstoffe wie Phosphor und Nitrat. Da aber auch Schadstoffe wie Schwermetalle und Medikamentenrückstände enthalten sind, soll der Klärschlamm weitgehend verbrannt werden, was ebenfalls zunehmend Kosten erzeugen wird. Apropos Felder: Dass alles mit allem zusammenhängt, lässt sich insbesondere beim Wasser gut beobachten. Unser Grundwasser ist seit Jahren an vielen Orten mit einem zu hohen Anteil an Nitrat belastet, was als gesundheitsschädlich gilt. Laut Bundesumweltministerium ist es eine Folge von industrieller Landwirtschaft und Überdüngung. Nitrat wird vor allem durch Regen ins Grundwasser gespült und gelangt so in unser Trinkwasser. »Aus den Augen – aus dem Sinn« scheint keine gute Strategie im Umgang mit dem Abwasser zu sein – wie wäre es mit »Man sieht sich immer zweimal«? Kerstin Meinhardt

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