24 FRANZISKANER 2|2023 Herr, Gott, deinen Sohn hast du hineingesandt in die Welt mit keiner anderen Gewissheit, als dass er leiden werde und sterben. Er hat seine Sendung ausgeführt bis ans Ende, und so ist er für uns eine Quelle des Lebens und der Freude geworden. Wir bitten dich, vollende unsere Freude und lass sichtbar werden, dass er lebt hier in unserer Mitte, überall auf Erden. Huub Oosterhuis »Der Menschensohn« (Auszug) Neue Sprache In dem bekannten Buch von Huub Oosterhuis mit dem Titel »Du bist der Atem und die Glut« beschreibt der Verfasser selbst, wie er Gebete im liturgischen Kontext erlebt: »Beten ist eintönig: immer dieselben Worte: Erbarme dich unser, gib Frieden, sei uns gnädig. Alles, was ›Weltliteratur‹ genannt wird, singt dasselbe Lied, ist eine Variation über das eine Thema von Liebe und Tod, Hoffnung auf Erbarmen, Verlangen nach Frieden. Wir alle haben nicht viel zu sagen, zu denken und zu hoffen, wohl aber besitzen wir die Fähigkeit, dieses Wenige in endlosen Wiederholungen abzuwandeln.« (a.a.O., S. 214) In seinen Gebeten greift Oosterhuis die große Erzählung auf, die noch immer besteht: von der Hoffnung auf eine bessere Welt, vom guten und weiten Land, von der Befreiung aus Angst und Leere. In seinen Gebetsanliegen spürt man seine Fassungslosigkeit darüber, was Menschen einander antun – immer wieder, immer noch. Und an diesem menschlichen Handeln kommt auch der Gottessohn nicht vorbei. In diesem hier auszugsweise wiedergegebenen Gebet wird die Form der liturgischen Sprache erkennbar. Das aus dem Zyklus von 1967 entstandene Gebet atmet noch den Geist der Amsterdamer Studentenkirche, einer zunächst römisch-katholischen Seelsorgeeinrichtung, die sich zu einer kirchenunabhängigen Liturgiewerkstatt entwickelt hat. Im Laufe der Jahre hat sich Huub Oosterhuis Sprache verändert, ja verdichtet. Lassen sich diese Gebete noch in die römisch-katholische Eucharistiefeier hineinnehmen? Ich möchte neben meinem entschiedenen Ja auch ergänzen, dass ich es für notwendig erachte, dass wir uns auch im Gemeinschaftsvollzug von Liturgie über die vorgegebene Sprache hinausbewegen, an Grenzen gehen: rufen, schimpfen, weinen. Alle Empfindungen ins Wort bringen, um darin zu spüren: Beten ist etwas Selbstverständliches. Zum Nachdenken • Welche Gebete haben sich im Laufe meines Lebens verfestigt? • Habe ich es schon ausprobiert, Gebeten meine eigenen Worte zu geben? JULI
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