Franziskaner - Sommer 2023

26 FRANZISKANER 2|2023 Wir sind dein Friede nicht in dieser Welt, wir sind dein Heil und deine Hilfe nicht für die verstörten und gebrochenen Menschen, denn wir sind selbst verstört, engherzig, unversöhnlich, wir schaden deiner Absicht, und wir verwirren die Welt. Du kannst den Anfang einer Einheit setzen; lass uns alle, die wir in Lager aufgespalten sind, wenigstens den Wahnsinn dieses Zustands einsehen und das Leid darüber lebendig spüren; lass uns nicht zufrieden sein mit der Situation, wie wir sie antreffen; lass uns von deiner Zukunft her denken und handeln, aus der Kraft deiner Verheißung, dass du alles, wie auch immer neu gestalten wirst. Huub Oosterhuis »Mitten unter uns« (Auszug) Einen neuen Anfang wagen Der Dichter Paul Konrad Kurz schreibt zu der Gebetssprache von Huub Oosterhuis: »Was mir an den Huub Oosterhuis‘ Gebetstexten von Anfang an gefiel: dicht an den Grunderfahrungen des Menschen und dicht an den jesuanischen Glaubensaussagen bittet dieser Mann um alles, was selbstverständlich ist, um einen sicheren Weg / um ein bewohnbares Haus für jeden Menschen / um das Licht unserer Augen / um die Luft, die wir atmen / um die Stimme, mit der wir sprechen / um die Sympathie und Zuneigung unserer Mitmenschen, und so weiter. Ja, das ist es. So muss, so darf man beten.« (in: Christ in der Gegenwart 38/1993). SEPTEMBER In diesem hier auszugsweise wiedergegebenen Gebet wird nichts geschönt. Oosterhuis entlarvt das Bild des Menschen, das er von sich selbst zu haben scheint und zeichnet ein realistischeres Bild: Wir sind verstört, engherzig, unversöhnlich. Diese Wirklichkeit kann von Gott durchbrochen werden, wenn wir den Wahnsinn dieses Zustandes einsehen, unsere Unzufriedenheit spüren und von Gottes Zukunft her denken. Dieses Gebet eröffnet mir die Einsicht: Beten ist Auferstehungserfahrung. Beten ist Aufatmen. Beten ist Lebensrettung. Es scheint im Gebet die Hoffnung auf, dass es doch noch ein gutes Ende nehmen kann. Ich bin zwar nur ein Mensch, so und nicht anders, unzureichend zwar, Teil einer Menschheitsfamilie, die so und so ist, aber dennoch lebe ich, existiere ich. Und Gott, so nimmt der Beter für sich in Anspruch, kann einen neuen Anfang mit mir wagen und »alles, wie auch immer, neu gestalten«. Zum Nachdenken • Welches Selbstbild trage ich im Gebet vor Gott? • Kann ich »von Gottes Zukunft her« zu ihm beten? Was heißt das für mich?

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