Franziskaner - Sommer 2023

27 FRANZISKANER 2|2023 Fratelli tutti Thomas Abrell OFM Über die weltweite Geschwisterlichkeit Enzyklika unter der Lupe © WWW.ASSISI.DE STEFAN DILLER WUERZBURG In seiner Enzyklika über die »Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft« »entfaltet Papst Franziskus seinen Traum von einer neuen, geschwisterlichen Welt und erhebt damit die Vision einer Menscheitsfamilie zur offiziellen Lehre der Kirche« (Martina Kreidler-Kos). Thomas Abrell beleuchtet in dieser und den folgenden Ausgaben jeweils einen Aspekt dieses zukunftsfähigen Lehrschreibens. »Das Selbstwertgefühl einer Person zu zerstören, ist ein einfacher Weg, um sie zu beherrschen. Hinter diesen Tendenzen, die auf eine Homogenisierung der Welt abzielen, treten Machtinteressen hervor, die von der geringen Selbstachtung profitieren, während gleichzeitig über Medien und Netzwerke versucht wird, eine neue Kultur im Dienst der Mächtigeren zu schaffen. Dies wird von einer skrupellosen Finanzspekulation und Ausbeutung ausgenutzt, wo die Armen immer die Verlierer sind. Andererseits bedeutet das Ignorieren der Kultur eines Volkes, dass viele politische Verantwortungsträger nicht mehr in der Lage sind, ein leistungsfähiges Projekt durchzuführen, das frei übernommen und über die Zeit hinweg aufrechterhalten werden kann.« (Enzyklika »Fratelli tutti« 52) Viele Menschen in Deutschland können ganz gut ohne den Glauben an Gott leben. Ihnen fehlt nichts. Diese Feststellung dürften die meisten Menschen, auch Glaubende, bestätigen. Die allermeisten Menschen leben in einer gesicherten sozialen Lage. Sie können sich vielleicht nicht alles leisten, müssen sich aber auch nicht um ein einigermaßen gutes Auskommen sorgen. Und doch ist es zu kurz gedacht, wenn gesellschaftliche Gruppen daran arbeiten, den Einfluss des Christentums immer weiter zurückzudrängen und Glauben als Privatsache abzutun. Das Selbstwertgefühl der Christ:innen hat ziemlich Schaden genommen. Das ist Ergebnis kirchlichen Handelns, das aber gerne von Medien und Netzwerken aufgegriffen wurde und wird. Dabei wird übersehen, dass mit Entchristlichung und wachsender Gottlosigkeit, nämlich der Verneinung Gottes, unsere Gesellschaft und unsere Kultur entwurzelt werden. Unsere Gesellschaft wird ihrer Wurzeln beraubt, wenn der eigentliche Grund unserer modernen gesellschaftlichen Werte geleugnet wird. Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Respekt vor dem, was jemandem heilig ist, sind keine Erfindungen der Aufklärung, sondern fußen auf der Bibel und sind offenbart durch Wort und Leben Jesu. Dies zu verdrängen, bedeutet, die Wurzeln zu kappen, die unser Leben als Gesellschaft prägen. Unsere Wurzeln gründen im Denken einer Wirklichkeit, die jenseits menschlichen Denkens steht und damit unverfügbar ist. Für Franz von Assisi bedeutet die Loslösung von seinem Vater Pietro den Weg aus der Abhängigkeit von Menschen in die Abhängigkeit von Gott. Hier weiß er sich wirklich frei. Analog sollten sich politische Entscheider:innen öfter mal frei machen von der Abhängigkeit vom nächsten Wahlausgang und die Jagd nach Stimmen von Wählerinnen und Wählern ausblenden, indem sie sich mehr Gott verantwortlich fühlen und dem nachhaltigen Wohl aller. Dann wären sie leichter zu wirklich zukunftsfähigen Entscheidungen in der Lage.

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