Franziskaner - Sommer 2023

29 FRANZISKANER 2|2023 funden? 13. Jahrhundert im Blick auf die wirtschaftlichen Probleme biblische Texte gelesen, und diese inspirierten das Suchen nach den ethischen Grundlagen des ökonomischen Handelns. Allein aus den ersten 250 Jahren der »Franziskanischen Bewegung« sind uns 250 Schriften von 20 Franziskanern überliefert, die sich mit dem Zusammenhang zwischen biblischen Ratschlägen und dem sozial-ökonomischen Leben auseinandersetzen. Ausgangspunkt war das von Franziskus überlieferte Gottesbild als dem höchsten Gut, in Verbindung mit der von ihm gelebten universalen Geschwisterlichkeit. Ganz »franziskanisch-klarianisch« wurde dies auf der Basis menschlich-spiritueller Erfahrung und philosophisch-theologischer Reflexion bedacht. Gott als das höchste Gut wird in seiner Uneigennützigkeit, seiner Freigebigkeit und Güte wahrgenommen, und zwar konkret in der Schöpfung, die, wie Franziskus singt, »uns ernährt und lenkt«. Durch Gott in der Schöpfung uneigennützig und freigebig beschenkt zu sein, ist die menschlich-spirituelle Grunderfahrung der ersten Generationen von Brüdern und Schwestern und prägte ihr Selbstverständnis. Dieses Beschenktsein gipfelt in der Gabe und Hingabe des »ersehnenswerten Bruders Jesus Christus«, in dessen Menschwerdung die universale Geschwisterlichkeit gründet. Aus der Dankbarkeit für diese Gaben erwachsen die drei Grundpfeiler der franziskanischen Lebensgestaltung: das Gute, die Uneigennützigkeit verbunden mit der Freigebigkeit und die Geschwisterlichkeit. Diese werden dann auch zu Eckpfeilern der von den Franziskanern Alexander von Hales, Bonaventura, Petrus Johannis Olivi, Johannes Duns Skotus, Bernhardin von Siena und anderen vermittelten Ethik und Wirtschaftslehre. Universelles Allgemeinwohl: Ziel des Wirtschaftens Angesichts der Herausforderung, dem expandierenden Marktgeschehen einen ethischen Rahmen zu geben, wird das Gottes- und Menschenbild auch im wirtschaftlichen Handeln zum Ausdruck gebracht. So wie Gott, das höchste Gut, in seiner »Heils-Ökonomie« das ganzheitliche Wohl des Menschen mit der ganzen Schöpfung in einer Heilsgeschichte verwirklicht, soll das menschliche Wirtschaften, gleichsam als Spiegelbild, das Gute, im Sinne des umfassenden Wohles der Menschen und ihrer Mitwelt, zum Ziel haben. Daher dient das Marktgeschehen der Verbindung des individuellen Wohls mit dem Allgemeinwohl. Es geht folglich nicht in erster Linie um die Erzielung privater monetärer Gewinne, sondern um die Erwirtschaftung einer allgemeinen zukunftsträchtigen Lebensqualität; zu der Wohlstand, Gesundheit, Friede ebenso gehören wie Zufriedenheit, Freude an der Kunst und an der Schöpfung. Dem zugrunde liegt ein erweiterter Kapitalbegriff: Nicht nur Geld und Immobilien werden als Kapital angesehen; zum Kapital zählt alles, was das Leben Johannes Baptist Freyer lehrte als Professor für Theologiegeschichte und Franziskanische Theologie an der Päpstlichen Universität Antonianum in Rom. Von 2005 bis 2011 war er Rektor dieser Universität. Heute ist er Referent für franziskanische Grundsatzfragen an der Missionszentrale der Franziskaner in Bonn, »Franziskaner Helfen«. © KERSTIN MEINHARDT

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