FRANZISKANER 2|2023 In seinen Werken mischt Gerresheim häufig realistische Darstellungen mit Elementen surrealer Kunst. Bei seinen Bildwerken sind aus seiner frühen Zeit Vieldeutigkeit, Surrealismus und auch Gesellschaftskritik sichtbar. Mit Verschiebungen, Rissen und Brüchen einer Vexiertechnik (von lateinisch vexare = verzerren) sind seine Plastiken, die Gesichter seiner Gestalten mit Rissen und Spalten versehen, teilweise auch zerlegt, so beim Heinrich-Heine-Denkmal (Düsseldorf, 1981) und beim Edith-Stein-Denkmal (Köln, 1999). Er verfremdet durch diese Technik die Porträts und bringt die Vielschichtigkeit der Charaktere der Personen und psychologischen Zusammenhänge zum Ausdruck und auch ihre inneren Verletzungen. So kann seine Kunst vielleicht auch »Psychologischer Surrealismus« genannt werden. Er bringt das Innere der Personen nach außen. In seinen Arbeiten greift Gerresheim oft religiöse Themen auf, die er in einen konkreten historischen Zusammenhang stellt. So etwa bei dem berühmten Christuskorpus am Turm der Düsseldorfer St.-Rochus-Kirche. Die Bronzefigur zeigt den nachösterlichen Christus in der Form des griechischen Buchstabens Tau – ein franziskanisches Symbol – und trägt die KZ-Nummer des deutsch-polnischen Franziskaner-Minoriten Maximilian Kolbe auf dem linken Unterarm. Dazu sagte Gerresheim: »Das einzige Anliegen meiner Kunst ist, dem irren Mysterium der Lebenswirklichkeit durch bildnerische oder figürliche Beschwörung näherzukommen.« Der Franziskusweg in Werl Die oben gezeigte Bronzeplastik »Bruder Tod« wurde von Bert Gerresheim für den Werler Franziskusweg gestaltet. Sie markiert die neunte Station des im April letzten Jahres eröffneten Weges durch die Stadt. Auf 2,5 Kilometern wird an die gemeinsame Geschichte der Stadt mit den Franziskanern erinnert. 1849 traten die Franziskaner in Werl die Nachfolge der anfangs dort tätigen Kapuziner am Marienwallfahrtsort an und betreuten die Wallfahrt bis 2019. Das Provinzialat der Sächsischen Franziskanerprovinz, ein Exerzitienhaus und das Missionsmuseum »Forum der Völker« sowie der Dietrich-Coelde-Verlag sind einige der Werke, die die Geschichte der Franziskaner in Werl prägten. Nach dem Abschied der Brüder entstand im Jahr 2021 auf Initiative des Wallfahrtsteams, des Neuen Heimat- und Geschichtsvereins sowie der Stadt Werl der Denkmalpfad »Franziskusweg«. Der Sonnengesang des heiligen Franziskus inspirierte den »kleinen Pilgerweg«, der mit neun Stationen in der Werler Innenstadt durch Kunstwerke von Christian Göbel, Otmar Alt und Bert Gerresheim gestaltet ist. Der Sonnengesang, der im Winter 1224/25 von Franziskus im Kloster von San Damiano gedichtet wurde, beschreibt die Elemente der Schöpfung als unsere Geschwister; eine aktuelle Thematik in einer Zeit, in der unsere Umwelt durch Artensterben und Klimaerhitzung bedroht ist. Der Pilgerweg endet mit dem »Bruder Tod« auf dem Kreuzwegplatz vor der Werler Basilika. Dazu Gerresheim: »Jeder Künstler konnte sich eine Stelle aus dem Sonnengesang wünschen. Aufgrund meines Alters dachte ich: Mein Gott, der Lobpreis des ›Bruder Tod‹, des leiblichen Todes und die Hoffnung, dass der zweite Tod keine Gewalt über einen haben wird in der Nachfolge Christi, das war mir eine naheliegende Thematik. Und so ist es dann auch gekommen.« ▶▶ www.franziskusweg-werl.de Das Heinrich-Heine-Denkmal ist eine der Arbeiten des Künstlers, die besonders viel Widerspruch hervorriefen. Es zeigt die zerteilte Totenmaske des Dichters. Gerresheim hat die Arbeit 1981 als patinierte Bronzeplastik am 125. Todestag von Heinrich Heine der Stadt Düsseldorf übergeben. »Mit Heine bin ich in Kontakt gekommen in den Bombennächten des Krieges. Meine Mutter las Gedichte vor und sagte dann lächelnd: ›Werke eines unbekannten Dichters‹. Das war die Sprachregelung der Nazis, um bei allgemein bekannter Poesie die Autoren zu vertuschen, denn Heine war Jude. Wichtig war mir bei diesem Auftragswerk die Erkenntnis: Wer von Heine spricht, der spricht von einem Plural. Die Vielgesichtigkeit dieses Dichters war dann auch eine Grundthematik des Denkmals, das gewöhnungsbedürftig war. Es wurde mit Polizeischutz aufgestellt – das Ende eines hundertjährigen Kampfes der Stadt Düsseldorf mit ihrem Harry Heine.« OBEN RECHTS © WALLFAHRTSTEAM, MARIENWALLFAHRT WERL
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