Franziskaner - Sommer 2023

34 FRANZISKANER 2|2023 © ISTOCK.COM – ADOBESTOCK.COM Christlich–islamisch – an den Tempel in Jerusalem. Das Neue Testament berichtet immer wieder davon, dass auch Jesus als Pilger zu diesen Festen nach Jerusalem unterwegs war. Die ersten Christinnen und Christen pilgerten von Tod und Auferstehung Jesu bewegt ins Heilige Land, an die Orte seines Wirkens, um ihren Glauben zu stärken. Diese Orte wurden im Laufe der Zeit zu beliebten Pilgerzielen. Ab dem 4. Jahrhundert begann die Verehrung von Heiligen, und damit wurden auch deren Gräber zu attraktiven Pilgerstätten. Im Mittelalter hofften die Pilger:innen vor allem auf Heilung von ihren Leiden. Zu den bedeutenden christlichen Pilgerorten gehören Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela sowie die vielen Orte, wo einer Marienerscheinung gedacht wird, wie Lourdes und Fatima. Alle diese Orte und Wege verbindet, dass Pilger:innen immer auf einer Reise zu sich selbst sind. Ihre religiösen Überzeugungen können dabei In dieser Ausgabe setzen wir die neu begonnene Reihe »christlich–islamisch« fort. Wir werfen wieder einen Blick auf einen Aspekt, der das Christentum und den Islam miteinander verbindet. Dieses Mal steht das Thema »Pilgern« im Fokus: Der Sommer ist eine beliebte Zeit zum Pilgern, und im Islam gibt es einen Monat, der dem Pilgern gewidmet ist – in diesem Jahr im Juni und Juli. Die Tradition des Pilgerns spielt in allen Weltreligionen eine Rolle und ist somit kein rein christliches oder islamisches Phänomen. Das Pilgern beziehungsweise eine Pilgerfahrt ist Ausdruck einer besonderen Beziehungspflege zwischen Menschen und Gott. Die Pilger:innen machen sich auf den Weg zu einem heiligen Ort, um Gott zu begegnen. Dort können sie die Nähe Gottes in besonderer Weise spüren. Das Pilgern ist zudem Vollzug einer Grundhaltung des Menschen: Leben heißt Unterwegssein und Auf-der-Suche-Sein. Mit dem Buch »Ich bin dann mal weg!« von Hape Kerkeling, in dem er von seinem Pilgerweg nach Santiago de Compostela erzählt, hat die Renaissance des Pilgerns in den letzten Jahrzehnten einen Ausdruck gefunden. Die große und gesellschaftliche weitverbreitete Wahrnehmung für Autor und Buch haben den Pilger-Boom in Deutschland nochmals verstärkt. Hier zeigt sich ein Bedeutungswandel des Pilgerns: Waren früher vor allem religiöse Motive ausschlaggebend, steht heute eher im Vordergrund, den Stress des Alltags zu vergessen und den Kopf frei zu bekommen. Trotzdem hat das Pilgern für viele weiterhin auch eine spirituelle Dimension und drückt eine Sehnsucht nach Mehr aus. Bereits in der Bibel spielt das Pilgern eine große Rolle: Im Alten Testament wird erzählt, dass sich Abraham als einer der ersten Pilger auf den Weg gemacht hat, um dem Ruf Gottes zu folgen. Er verließ seine Heimat und ging in das von Gott verheißene Land Kanaan. Außerdem werden im Alten Testament immer wieder die drei Feste Pessach, Schawuot und Sukkot erwähnt, an denen Jüdinnen und Juden nach Jerusalem gepilgert sind. Das Pilgern war also an einen festen heiligen Ort gebunden,

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