Franziskaner - Sommer 2023

37 FRANZISKANER 2|2023 Im Februar 2023 bebte die Erde in der türkisch-­ syrischen Grenzregion mit so verheerenden Auswirkungen wie seit 1939 nicht mehr. Die Zahl der Todesopfer stieg auf mehr als 50.000 an, viele Menschen wurden teils schwer verletzt. Fünf Millionen Menschen, so wird geschätzt, verloren durch die Erdbebenkatastrophe ihr Zuhause: ein katastrophaler Ausnahmezustand vor allem in Syrien, in einem Land, wo 90 Prozent der Menschen bereits vor den Beben in großer Armut und Not lebten; dessen Bevölkerung seit zwölf Jahren in einem Krieg überleben müssen, der in große Teilen des Landes die zivile Infrastruktur völlig zerstört hat; in dem fast eine halbe Million Menschen bis heute getötet wurden, mehr als die Hälfte der Einwohner:innen ihr Zuhause verloren – fast sechs Millionen davon im Ausland und sieben Millionen Flüchtlinge im eigenen Land sind. Hilfe aus dem Ausland ist aus politischen Gründen zudem nur schwer ins Land zu bringen. In dieser Lage konnten die franziskanischen Mitbrüder und Schwestern Hilfe leisten, weil sie schon vor Ort waren, weil sie das Land seit Beginn des Krieges nie verlassen hatten. Mit der Unterstützung von »Franziskaner Helfen« konnten sie direkt tätig werden, denn viele Menschen spendeten über das Hilfswerk für Nahrung, Trinkwasser, Medikamente, Decken und Zelte. »Die große Hilfsbereitschaft der Menschen nach der Katastrophe in Syrien ist beeindruckend. Miteinander knüpfen wir ein Netzwerk der Solidarität«, sagt Matthias Maier OFM, Leiter von »Franziskaner Helfen«. »Durch die Berichterstattung in den Medien waren viele informiert und wollten spenden. Doch gibt es auch viel Not in Regionen, über die kaum oder gar nicht berichtet wird, wir aber ebenso gebraucht werden. Auch hier versuchen wir konkret zu helfen, informieren durch verschiedene Kommunikationskanäle über die jeweiligen Notlagen und treten ein für die Menschen, die Hilfe brauchen.« »Wenn jeder etwas gibt, haben alle genug«, ist einer der Leitsätze von »Franziskaner Helfen«. Und damit ist nicht nur Materielles gemeint, sondern der gegenseitige Austausch, das gemeinsame Wachsen und die Geschwisterlichkeit. »So wie der heilige Franziskus aus seiner inneren Beziehung zu Gott und zur ganzen Schöpfung sich nicht gescheut hat, zu betteln und mit den Armen in einen Kontakt auf Augenhöhe zu treten, ist es auch unsere spirituelle Aufgabe, den Menschen Aufmerksamkeit zu verschaffen, deren Stimme sonst nicht gehört wird, und eine Kultur der Menschenfreundlichkeit zu pflegen«, sagt Bruder Matthias Maier. Mit diesem Ansatz unterstützt »Franziskaner Helfen« jährlich rund 800 soziale, pastorale und ökologische Projekte in Afrika, Lateinamerika, Asien, Mittel- und Osteuropa – von Einrichtungen für Waisen- und Straßenkinder über Bildungsprojekte für Mädchen und Frauen bis zu Nahrungsmittelhilfen in Notsituationen oder auch Schul- und Brunnenbauten. Gerade größere Bauprojekte werden häufig in Kooperation mit anderen Hilfswerken und seit einigen Jahren auch mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung umgesetzt. Alles begann 1969 mit 5.000 DM »Startkapital« in der Sakristei der Pfarrkirche St. Albertus Magnus in Bonn-Bad Godesberg, wo die »Missionszentrale der Franziskaner e.V.« (MZF) gegründet wurde. Der erste und langjährige Leiter, Andreas Müller OFM, schrieb, es sei der »Schrei der Armen« gewesen, der in den 1960er Jahren die Franziskaner nach einer Antwort auf die weltweite Notlage vieler Menschen suchen ließ. Neun europäische Franziskanerprovinzen übernahmen seinerzeit gemeinsam die Trägerschaft. Aus bescheidenen Anfängen entstand ein anerkanntes franziskanisches Hilfswerk – ein Netzwerk einer weitreichenden, verbindenden Hilfe. »Unsere Projektpartner:innen sind Schwestern und Brüder aus der franziskanischen Familie, die überall auf der Welt oft unter armen und benachteiligten Menschen leben. Sie entwickeln mit den Leuten vor Ort Projektideen, die das Leben der Ärmsten verbessern können, und kommen dann damit zu uns. So sind es oft viele kleinere Projekte, in denen mit wenig Geld viel erreicht werden kann. Und aus diesen Katharina Kolano ist Pressereferentin beim franziskanischen Hilfswerk »Franziskaner Helfen« in Bonn Der österreichische Franziskaner Matthias Maier ist seit 2016 Präsident des Hilfswerks

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