Franziskaner - Sommer 2023

8 FRANZISKANER 2|2023 reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein.« (Ez 36,25) Das Wasser wird zum Vorausbild des endgültigen Heils. Es wird keinen Fluch und keine Dürre mehr geben. Gott wird den Regen zu seiner Zeit spenden (Ez 34,26). Die Wüste wird sich in einen blühenden Garten verwandeln (Jes 41,17–20), es werden wieder paradiesische Zustände herrschen. Gott selbst ist für den Menschen die Quelle des Lebens. Keusch ist das Wasser, insoweit ihm alle Religionen göttliche Kräfte zuschreiben. In römischer Zeit wurden jedes Jahr zu Ehren des Fontus, eines Sohnes des Janus, die Fontinales gefeiert. An diesem Tag warf man Wein, Münzen und andere Kostbarkeiten in den Tiber. Der Brauch, Münzen in den Trevi-Brunnen in Rom zu werfen, zum Zeichen der Wiederkehr, ist ein Überbleibsel jenes Wasseropfers. Das Christentum hat viele dieser Gebräuche und Orte aufgegriffen und verchristlicht. Aus den »Götzenbrunnen« wurden »Heiligenbrunnen«. Über den Quellen wurden Heiligtümer und Kirchen errichtet. So ist etwa der Paderborner Dom über den 80 sprudelnden Quellen der Pader erbaut (Pader-Born). Ähnlich ist es in Lourdes, wo das Wasser zur Segnung der Kranken genutzt wird. Keusch ist das Wasser, wenn der Täufling damit übergossen wird oder wenn der Täufling hineingetaucht wird zum Zeichen des Sterbens und Auferstehens mit Christus; wenn ihm die Schuld abgewaschen und neues Leben geschenkt wird. Denn: »Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.« (Joh 3,5) Demütig ist das Wasser, da es für uns nicht nur als Nahrungsmittel Mittel zum Leben ist, sondern ebenso Reinigungsmittel unseres Leibes, unserer Kleidung und unserer Umgebung. Wasser ist Transportmittel von Schmutz und Fäkalien und trägt als Abwasser dazu bei, dass es in unserer Nähe wohnlich zugeht. Was für uns selbstverständlich ist, ist es für Milliarden von Menschen bei Weitem nicht. 2,4 Milliarden Menschen müssen ohne Sanitäranlagen auskommen, und circa 700 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Demütig ist das Wasser, da wir es als Arbeitsmittel nutzen. Nicht nur in Form von Wasserkraft. In jedem Erzeugnis steckt Wasser. So werden für die Herstellung einer Jeans aus konventioneller Baumwolle 8.000 bis 11.000 Liter (entspricht 57 bis 78 Badewannen voll Wasser) verbraucht (Wasserfußabdruck). In einem Rindersteak von 200 Gramm auf unserem Teller stecken circa 3000 Liter Wasser (22 Badewannenfüllungen), und für die Herstellung eines durchschnittlichen Pkw werden 400.000 Liter verbraucht (2857 volle Badewannen), ohne dass der Wasserverbrauch während der »Lebenszeit« des Autos inbegriffen wäre. »Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.« Wasser: mehr als nur nützlich – Wasser: demütig, kostbar und keusch! Lernen wir es neu schätzen als Quelle unseres Lebens. Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch. Aus dem Sonnengesang des heiligen Franziskus (um 1225) © JORGE VASCONEZ – UNSPLASH.COM

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