Franziskaner Mission 1 | 2020

Tatsächlich finden sich unter der Rubrik Populismus so unterschiedliche Regierungen wieder wie Viktor Orbán in Ungarn oder Hugo Chávez und sein Nachfolger Nicolás Maduro in Venezuela. Aber während vor einigen Jahren der angebliche Linkspopulismus in Lateinamerika im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, hat sich dies seit dem Wahlsieg von Donald Trump grundlegend verändert. Rechtspopulis- mus wächst in der ganzen Welt. Nicht nur die Wahlsiege von Boris Johnson in Großbritannien und Jair Messias Bolso- naro in Brasilien sind dafür ein Signal, sondern auch der Aufstieg rechtspoliti- scher Bewegungen in Westeuropa. Blick nach Brasilien Dabei ist die Wahl des rechtsextremen Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens und damit des immer noch größten katholischen Landes der Welt ein trau- riges Lehrstück. Bolsonaros Wahlsieg baute auf den Trümmern einer geschei- terten Politik, aber auch auf einer ge- zielten und skrupellosen Mobilisierung von rechts auf. Nach 13 Jahren einer eher sozialdemokratischen Regierung der Arbeiterpartei (PT) unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff war der Wahlsieg von Bolsonaro viel mehr als ein normaler Regierungswechsel. Er war und ist Ausdruck einer tiefgreifen- den Veränderung in der brasilianischen Gesellschaft. Bolsonaros Aufstieg zeigt Elemente, die aus einem Lehrbuch des Populis- mus stammen könnten. Er baute seine Karriere als völliger Außenseiter auf, als Antisystem-Kandidat. Dabei kam ihm zur Hilfe, dass die Arbeiterpartei immer mehr von Korruptionsskanda- len belastet wurde. Zwar war die PT sogar weniger in Korruptionsvorwürfe verwickelt als ihre bürgerlichen Bünd- nispartner, aber Justiz und Medien konzentrierten sich ganz auf diese Partei und ihren populären Ex-Präsi- denten Lula, der schließlich zu einer Ein Gespenst geht um Die neue Aktualität des Populismus (nicht nur) in Brasilien langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Damit rückte eine teilweise demagogisch ausgeschlachtete Anti- Korruptionsagenda in den Mittelpunkt der politischen Debatten und begüns- tigte den Eindruck, alle Politiker seien gleich und das ganze System korrupt. Das war ein schwerer Schlag für eine Partei wie die PT, die aus den sozialen Bewegungen hervorgegangen ist und unter der Parole angetreten war, »Ethik in der Politik« zu verkörpern. Sie wurde nun von rechts als Partei korrupter Eliten dargestellt. Populismus ist zu einer der gängigsten Etiketten in der aktuellen politischen Debatte geworden. Die Karriere des Begriffs ist bemerkenswert, denn es fehlt nicht an Warnungen, dass er schlecht definiert und zu unscharf sei. TEXT: Thomas Fatheuer | FOTO: Familia Bolsonaro – CC0 1.0 Präsident Jair Bolsonaro und seine drei ältesten Söhne, Flávio, Eduardo und Carlos. 10

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=