Franziskaner Mission 1 | 2020

TITEL Unser Titelbild zeigt ein Gemälde des russischen Malers Nikolai Niko- lajewitsch Ge aus dem Jahr 1890: Jesus vor Pontius Pilatus. Dieser war von 26–36 n. Chr. Statthalter des römischen Kaisers Tiberius in der Provinz Judäa. Bekannt wurde Pilatus vor allem durch die Passions- geschichte (Joh 18,28–19,16a). Jesus ist in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Pilatus, der sich im Licht wähnt, entgegnet: »Was ist Wahrheit?« Nach Verurteilung, Kreuzestod und Auferstehung wird Jesu Wahrheit offenbar werden und der verleug- nete Messias im Licht stehen. Liebe Leserinnen, liebe Leser! Seit Tagen befindet sich die Welt durch das Coronavirus in einem Ausnahmezustand. Das, was zunächst nach dem Problem einer chinesi- schen Provinz aussah, weit entfernt von unserer Lebenswirklichkeit, verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit über den ganzen Globus und bricht immer mehr in unser Leben ein. Gefühle von Angst und Panik machen sich breit, angesichts dieses neuen und noch unbekannten Virus und der Ungewissheit über das tatsächliche Ausmaß an gesundheitlichen Gefahren, die es mit sich bringt. Immer wieder wird in der aktuellen Corona- Krise vor Falschmeldungen und der Verzerrung von Fakten gewarnt. Zunächst schienen die verworrene Lage und die damit einhergehende Verunsicherung ein »gefundenes Fressen« für den zunehmenden Populismus weltweit zu sein. Die Präsidenten Donald Trump (USA) und Jair Bolsonaro (Brasilien) beispielsweise verniedlichten zunächst die Gefahr und klagten die Medien als Panikmacher an. Beide werden Anfang März, nach einem Golf-Treffen im US-Ferienort Mar-a-Lago in Florida, persönlich mit der explodierenden Pandemie konfrontiert. Ein Mitglied der brasilianischen Regierungsdelegation, der Kommunikationschef Fabio Weingarten, wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Die beiden populistischen Präsidenten mussten sich der Realität des gefährlichen Virus beugen. Als noch niemand von Corona sprach, hatte sich die »Franziskaner Mission« bereits für die erste Ausgabe im Jahr 2020 das Thema Populismus vorgenommen, symbolisiert durch die Frage des Pontius Pilatus an Jesus: »Was ist Wahrheit?« (Joh 18,38a) Jesus bekennt vor Pilatus, dass er gekommen ist, um für die Wahr- heit Zeugnis abzulegen (vgl. Joh 37). Unsere Zeit ist geprägt von Fake-News (Falschmeldungen), »alternativen Wahrheiten« und Wahlmanipula- tionen durch soziale Netzwerke. Angesichts der Corona-Pandemie und ihrer nackten Zahlen, sind Wahrheitsverdrehungen oder sogar dreiste Lügen populistischer Politiker schwieriger geworden. Hoffentlich lehrt uns Corona, auch nach der Krise immer wieder zu fragen: »Was ist Wahrheit?« Beiträge und konkrete Beispiele kommen in dieser Ausgabe aus Brasilien, Bolivien, El Salvador, Ruanda, Namibia und Deutschland. Einem wach- senden Populismus, einhergehend mit nationa- len Abschottungstendenzen, stellt der Theologe Johannes B. Freyer ofm den franziskanischen Universalismus entgegen. Der Kabarettist Christian Springer wehrt sich mit Satire gegen populistische Tendenzen. Der Franziskaner Adalberto Mazur schenkt in seinem bolivianischen YouTube-Kanal der Wahrheit eine Stimme. Brasilianische Landwirt- schaftsschulen wehren sich gegen eine populistische Bildungspolitik. Die Collage von Menschengesichtern auf der Mittelseite und der Liedtext von STOPPOK »Lass sie rein« auf der Rückseite stehen für christliche und franziskanische Werte wie: universale Geschwister- lichkeit, Globalisierung von Solidarität und Mensch- lichkeit, unerschrockenes Eintreten für die Wahrheit, bedingungsloses Teilen. Von ganzem Herzen sage ich Ihnen Dank für Ihre treue und solidarische Unterstützung unserer vielfältigen Projektarbeit, auch in schweren Zeiten wie diesen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien – gerade jetzt – ein gesegnetes und befreiendes Osterfest. Br. Augustinus Diekmann ofm Leiter der Franziskaner Mission Dortmund 3

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