Franziskaner Mission 1 | 2020

Hätten die Satiren von Aristophanes etwas bewirkt, dann wären die Politiker Athens zurückge- treten und hätten guten Anführern Platz gemacht. Die Römer hätten daraufhin die Griechen nicht so leicht unterworfen und wären nicht zur Weltmacht geworden. Woraufhin das Christen- tum keine Chance auf Ausbreitung gehabt hätte und wir heute noch Zeus und den Weingott Dionysos anbeten würden. Und so weiter, und so weiter. Hätte die Satire jemals gesiegt, wäre die ganze Weltgeschichte anders verlaufen. Aber das ist nicht der Anspruch der Satire. Volkes Stimme Der Beginn meiner Kabarettauftritte fiel in die Auseinandersetzungen um die Wiederaufberei- tungsanlage Wackersdorf (WAA). Weitab in der Oberpfalz, wo die CSU abgebrannte Brennstäbe wieder aufbereiten wollte, fuhr Anfang der 1980er-Jahre alles hin, was in der Satirezunft Rang und Namen hatte. Verhindert wurde dadurch gar nichts. Das Projekt WAA wurde von der Wirt- schaft abgeblasen, nicht von Künstlern. Satire und Populismus sind auch keine Feinde, sondern Verwandte. Die Definition des Begriffs Populismus füllt inzwischen ganze Bibliotheken, »Wikipedia« braucht für die Begriffs- erklärung umgerechnet etwa 25 DIN A4-Seiten. Ist Populismus gut oder schlecht? Die Römer wussten es genau und sagten »vox populi, vox dei«, also: Volkes Stimme ist Gottes Stimme. In der modernen bayerischen Politik übersetzt man das als »Hoheit über die Stammtische«. Und wer schaut »dem Volk aufs Maul«: der Kabaret- tist, der Satiriker, der Comedian. Populismus ist zum Schimpfwort geworden und weist deutlich in die rechte Ecke der Politik. Doch der »Duden« versteht unter Populismus eine opportunistische Form der Politik, die die »Gunst der Massen« zu gewinnen sucht. Nun, wer will das nicht? Nach der Gunst der Massen strebt der Mittelstürmer, der russische Präsident und der Musiker. Nicht zuletzt heißt es dort: Pop-Musik. Und die Satirikerinnen und Satiriker? Mario Barth und Monika Gruber haben ausverkaufte Stadien, und wer keine Stadien füllen kann, will wenigstens volle Konzert- und Kabaretthallen. Doch es gibt einen Unterschied! Höckes Aussagen, wir seien »durch den Import fremder Völkerschaften und die zwangs- läufigen Konflikte existenziell gefährdet« erhalten viel Applaus im Volk, im populus. Aber sie sind eben kein Populismus, sondern einfach: Lügen. Aus juristischer Sicht ist bereits eine klare Grenze gezogen. Volksverhetzung, Anstache- lung zum Hass (oder zu Gewalttaten, wie in vielen Texten von Rappern) können und sollen verfolgt und geahndet werden. Die Satire andererseits wäre keine Satire, wenn sie nicht übertreiben würde, wenn sie nicht die Wahrheit verdrehen würde, wenn sie nicht »im tiefsten Wesen nach ungerecht« wäre, wie Tucholsky 1919 schrieb. Aber Satire ist Satire. Und politischer Hass ist politischer Hass. Dazwischen klafft ein unüberbrückbarer Canyon. Die verdrehte Wahrheit der Satire hat nichts gemein mit der Lüge der AfD. Denn hinter der umgedrehten Wahrheit der Satire steckt die Wirklichkeit. Hinter der Lüge der Extremisten die Lüge. Die Massen wollen sie beide. Aber das verbindet noch lange nicht. Hilft Satire gegen Populismus? Ernstgemeinte Fragen eines Kabarettisten Hilft Satire gegen Populismus? Nein. Satire hilft gegen gar nichts – leider. Vor 2.400 Jahren starb der griechische Satiriker Aristophanes. Sein Leben lang hat er Stücke geschrieben, in denen die Politiker und Wirtschaftsbosse seiner Zeit lächerlich gemacht wurden. Das meiste davon verstehen wir heute nicht mehr. Und manches doch, weil sich anscheinend nichts geändert hat. Christian Springer und Firas Lufti ofm in Beirut planen eine Zusammenarbeit. TEXT: Christian Springer | FOTOS: Christian Springer; Sina-Maria Schweikle 8

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