Franziskaner Mission 2 | 2020

Not macht erfinderisch 40 Jahre erfolgreiche Wasserprojekte in Bolivien Als ich Ende 1979 als Missionar nach Südamerika kam, war ich ein totaler »Novato«, ein Neuling ohne Erfahrung. Als Priester lag mein Schwerpunkt natürlich in der Seelsorge. Ich habe lange Jahre in der wunderschönen Kathedrale von Concepción gearbeitet. TEXT UND FOTOS: Reinhold Brumberger ofm Es war großartig, dort die Messe mit der indigenen Gemeinde zu feiern und die besonderen Gebräuche an den Feier- tagen zu erleben: die Herbergssuche an Weihnachten, die Prozessionen mit Flöten und Trommeln in der Karwoche und vieles mehr. Die Menschen kamen mit ihren Familien aus den rund 30 entlegenen Dörfern aus dem riesigen Wald um uns herum. Es ist eine faszi- nierend schöne Gegend. Aber auch unwirtlich und gefahrvoll. Eine deutsche Familie würde hier wahrscheinlich auf Dauer nicht überleben können. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen hier ist deshalb auch mehr als 20 Jahre geringer als in Deutschland. Im Dorf Palmarito fiel mir eines Tages zu Beginn meiner Missionszeit der Friedhof auf: eine Unmenge von Kindergräbern! Und ich fragte mich: Wie kommt es zu dieser hohen Kinder- sterblichkeit? Ich begann, die Lebens- realitäten meiner Umgebung zu analysieren. Keine einzige Hütte hatte eine Wasserleitung. Alle Indigenen trugen die Wäsche zum Fluss oder zu einer Quelle im Wald, die aber besonders in den Monaten der Trockenzeit teilweise austrockneten. Dort holten sie auch das Trinkwasser in Eimern und trugen es zum Teil auf dem Kopf nach Hause. Abkochen? Kaum. Hauptsache es war nass! Viele Krankheiten hatten hier ihre Ursache, und es gab keine Arzneien, keinen Arzt, keine Krankenkasse, dafür aber große Entfernungen zur nächsten Klinik und schlechte Wege. Die Wasser- thematik, das war mir klar, war ein wich- tiger Grund für die vielen Kindergräber in Palmarito. Ich ließ mich vom Evangelium inspirie- ren zu handeln. Was hätte Jesus getan? Seine Mentalität und Handlungsweise wurden mir zum Maßstab: Jesus ver- mehrte das Brot, damit alle zu essen bekamen, doch sagte er auch zu seinen Jüngern: »Gebt ihr ihnen zu essen.« Ihr , das sind heute wir , das bin ganz konkret ich ! Und »essen« bedeutet das Lebensnotwendige und eines vom Wichtigsten, was den Chiquitano fehlte, war genügend Wasser, sauberes Wasser und Trinkwasser! Ich fühlte mich herausgefordert, etwas zu bewegen. Und die Antworten auf den Ruf »Gib Du ihnen zu trinken«, den ich für mich verstanden hatte, mussten möglichst konkret sein und nicht lange auf sich warten lassen. Keine Selbstverständlichkeit: Fließendes Wasser direkt im Dorf 23

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=